Dem Bericht zufolge war der angeschlagene Automobilzulieferer tiefer in die Politik des Dritten Reiches verstrickt als bislang angenommen. Das Unternehmen habe sich im Zweiten Weltkrieg in der Rüstungsproduktion engagiert und auch Zwangsarbeiter beschäftigt.

Herzogenaurach. Der angeschlagene Automobil-Zulieferer Schaeffler hat seine Verstrickungen in die Rüstungspolitik des Dritten Reiches offen gelegt. Der von der Schaeffler-Familie beauftragte Historiker Gregor Schöllgen veröffentlichte im Politik-Magazin "Cicero" entsprechende Forschungsergebnisse. Der Konzern will sich damit nach Angaben von Mittwoch gegen "falsche Unterstellungen im Internet" wehren.

Ein Sprecher der Schaeffler-Familie sagte, Schöllgen habe ein "etwa zwei Jahre altes Gutachten aktualisiert und die wesentlichen Ergebnisse zur Klarstellung veröffentlicht". Dem Bericht zufolge war der angeschlagene Automobilzulieferer tiefer in die Politik des Dritten Reiches verstrickt als bislang angenommen.

Danach ist Schaeffler nicht nur aus der vormals jüdischen "Davistan AG" hervorgegangen. Das Unternehmen habe sich im Zweiten Weltkrieg stark in der Rüstungsproduktion engagiert und dabei auch Zwangsarbeiter beschäftigt, heißt es in dem Bericht. Laut Schöllgen gilt aber als "gesichert", dass sich Firmengründer Wilhelm Schaeffler stets "korrekt" gegenüber Kriegsgefangenen aus Polen, Frankreich oder Russland verhalten habe, die als Zwangsarbeiter für Schaeffler arbeiteten. Dies hätten mehrere Betroffene nach dem Krieg zu Protokoll gegeben.

Zudem finden sich dem Wissenschaftler zufolge "keine Belege für den jüngst suggerierten Vorwurf", Schaeffler habe im Rahmen der Textilproduktion Menschenhaar verarbeitet, das aus dem Vernichtungslager Auschwitz stammte. Ausnahmslos sämtliche Indizien sprächen gegen diese Vermutung, schreibt Schöllgen.

Weiteren Erkenntnissen zufolge sei Wilhelm Schaeffler 1946 von den Amerikanern an Polen ausgeliefert und dort angeklagt worden, weil er "im Auftrag der deutschen Regierung" an der "Liquidierung des dem polnischen Staat und den polnischen Bürgern gehörenden Besitzes" beteiligt gewesen sei. Das Urteil vom April 1949 des zuständigen Bezirksgerichts habe den Vorwurf auf "jüdisches Eigentum" ausgeweitet. Weil Schaeffler "keine feindlichen Tätigkeiten gegenüber den polnischen oder jüdischen Arbeitern" ausgeübt habe, wurde das Strafmaß demnach um ein Drittel reduziert. Schaeffler musste für gut vier Jahre ins Gefängnis in Bialystok und Warschau und wurde im Juli 1951 frei gelassen.

Bislang wurde laut "Cicero" über die dunkle Vorgeschichte der Firma Schaeffler in Polen geschwiegen. Die offizielle Unternehmensgeschichte der Schaeffler-Gruppe beginne noch heute erst im Jahre 1946. "Die Brüder Schaeffler sahen keine Veranlassung, ihre frühen Jahre ohne Not kritischen Blicken auszusetzen", sagte Schöllgen "Cicero". Erst die Witwe Elisabeth Schaeffler habe die Archive öffnen lassen und eine kritische Aufarbeitung der Vergangenheit nun ermöglicht.