Sorge um 45.000 Arbeitsplätze: Die Überlegungen um die Zukunft von Opel gehen in die entscheidende Phase. Angesichts der schweren Krise bei der Opel-Mutter General Motors (GM) laufen die Vorbereitungen für eine Herauslösung des Autobauers aus dem US-Mutterkonzern laut Betriebsrat auf Hochtouren.

Rüsselsheim/Hamburg. "Für uns gibt es nur eine Zukunftsperspektive, und die liegt in einem europäischen Modell", sagte gestern der Vorsitzende des Opel-Gesamtbetriebsrates Klaus Franz. Das bedeute eine Abtrennung von Saab. "Was übrig bleibt in Europa ist Opel und unsere Schwestermarke Vauxhall in England." IG-Metall-Chef Berthold Huber erwartet den Sanierungsplan für diese Woche.

Das Management der Adam Opel GmbH werde bei der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am Freitag ein Konzept vorlegen, sagte der Gewerkschaftschef. Kriterien für eine Staatshilfe sind für Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU), dass das Unternehmen vor der Krise gesund war und nun nicht etwa Arbeitsplätze zulasten anderer gerettet würden. Das Abendblatt geht den wichtigsten Fragen nach.

Wie leicht ist es, Opel aus dem GM-Konzern herauszulösen? "Das hängt vom guten Willen und vom Preis ab, den GM für Opel und die den Amerikanern gehörenden Patente erhalten wird", sagt Professor Willi Diez, der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Allerdings sind Opel und GM seit vielen Jahrzehnten extrem miteinander verwoben und bauen zum Beispiel Fahrzeugmodelle auf gemeinsamen technischen Plattformen, sagt Jürgen Pieper, Autoanalyst beim Bankhaus Metzler. Zudem sei die GM-Führung derzeit wenig gewillt, sich mit einer Aufspaltung zu befassen.

Wäre Opel allein lebensfähig? Opel hat im vergangenen Jahr 1,5 Millionen Fahrzeuge abgesetzt, profitiert mit den Kleinwagen Agila, Corsa und Meriva von der Abwrackprämie und hat bereits 70 000 Bestellungen für den Mittelklassewagen Insignia vorliegen. Zudem ist der Februar "mit mehr als 40 000 verkauften Wagen der beste Monat seit fünf Jahren", sagte ein Opel-Sprecher gestern. Doch Diez und Pieper sind sich einig: Opel allein ist nicht stark genug. Den Massenmarkt dominieren VW und Toyota und auch Premiumhersteller wie BMW wollen in diesem Segment verstärkt verkaufen. "Selbst Renault mit mehr als drei Millionen verkauften Autos hat eine Allianz mit Nissan", so Diez.

Wer kommt als Kooperationspartner für Opel infrage? "Da sehe ich keinen deutschen und in Europa allenfalls Peugeot/Citroën", sagt Experte Diez. Für Tata in Indien wäre Opel nach dem Kauf von Jaguar und Land-Rover eine Marke für höhere Verkaufszahlen. Auch chinesische oder koreanische Hersteller könnten zugreifen. "Aber selbst wenn sich ein Käufer findet, wird man kaum verhindern können, dass doch noch Werke geschlossen werden", sagt Analyst Pieper. Die Überkapazitäten im weltweiten Autobau sind groß. Weit mehr als 90 Millionen Fahrzeuge können derzeit pro Jahr gebaut werden - allenfalls 50 Millionen Stück dürften sich aber 2008 verkaufen lassen.

Wie viele Jobs wären bedroht, wenn Opel keine Hilfe erhält? GM will weltweit 47 000 Stellen abbauen, davon 26 000 außerhalb der USA. Die Sanierung könne "mehrere mögliche Schließungen und Verkäufe von Produktionsstätten an Standorten mit hohen Kosten" beinhalten, hatte GM-Chef Rick Wagoner gesagt. Die deutschen Opel-Werke mit insgesamt gut 25 000 Mitarbeiter sind teuer aber auch sehr profitabel. Diez schätzt, dass an den Werken noch einmal 15 000 Stellen bei Zulieferfirmen sowie 5000 Arbeitsplätze bei Händlern des Autobauers hängen.

Welche Folgen hätte eine Rettung von Opel durch den Staat? "Es werden Forderungen von anderen Firmen kommen und dies dürfte sich nicht auf die Automobilbranche beschränken", sagt Alfred Boss, Experte für Staatsfinanzen am Kieler Institut für Weltwirtschaft. Der Staat hätte zudem kein Argument mehr, Hilfen zu verweigern. Boss rät dazu, sich vonseiten des Staates völlig aus der Sanierung von Opel herauszuhalten. "Es gibt keinen Grund, Bürgschaften einzuräumen oder frisches Geld zu geben", sagt der Volkswirt. Das Engagement könne zu einem "Fass ohne Boden" werden. Die Sorgen der Beschäftigten könne er nachvollziehen, so Boss. Doch: "Auch nach einem Konkurs von Opel dürften Teile übernommen werden. Qualifizierte Mitarbeiter werden neue Jobs finden."

Wie wird eine mögliche Hilfe für Opel bewertet? Bei CDU und Mittelstand regt sich bereits Widerstand gegen Staatshilfen. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Familienunternehmen ASU, Albrecht von Hagen, warnte im ZDF-Morgenmagazin: "Wenn der Staat bei Opel hilft, was passiert dann bei anderen Unternehmen, sagen wir mal bei Ford oder Volkswagen?" Man werde einem VW-Arbeiter schwer klarmachen können, dass es ihm schlechter gehe, weil Opel infolge der Staatshilfe mehr Autos verkaufen könne. Auch der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Laurenz Meyer, und der CDU-Mittelstandspolitiker Michael Fuchs warnen vor den Rückwirkungen auf andere deutsche Autobauer.

Welche Szenarien gibt es? "Am optimistischten wäre eine Lösung, nach der GM die Sanierung in den USA schafft und Opel mit dem Mutterkonzern überlebt", sagt Professor Diez. Nach einer GM-Pleite könnte dagegen Opel mitgerissen werden, ohne Partner bleiben und ebenfalls in die Insolvenz schlittern. Dazwischen liegt die Lösung, die etwa die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles sieht. Eine Beteiligung des Staates sei vorstellbar, sagte sie am Sonntagabend in der ARD bei "Anne Will". "Aber nur als Überbrückung, das soll keine Dauerlösung sein."