Verbraucherschützer befürchten weitere Schwächung des Wettbewerbs. Preise könnten steigen.

Hamburg. Die Konzentration der Anbieter am europäischen Strom- und Gasmarkt schreitet durch eine neue Großübernahme voran. Der schwedische Staatskonzern Vattenfall wird für insgesamt 8,5 Milliarden Euro den niederländischen Versorger Nuon kaufen. Das kündigte Vattenfall-Chef Lars Josefsson gestern in Amsterdam an. "Wir benötigen weiter profitables Wachstum. Der Markt in den Beneluxländern ist höchst attraktiv und Nuon ein noch fehlendes Juwel für uns", sagte Josefsson.

Die Übernahme von Nuon kommt nur rund sechs Wochen nach der Ankündigung des deutschen Energiekonzerns RWE, für mehr als neun Milliarden Euro den niederländischen Marktführer Essent zu kaufen. Wesentliche Teile der niederländischen Strom- und Gasversorgung sind damit künftig in ausländischer Hand. Zugleich sinkt die Zahl der Anbieter in Europa weiter. Gerade auf die niederländischen Versorger ruhten in den vergangenen Jahren die Hoffnungen deutscher Energieverbraucher und ihrer Verbände. Sowohl Essent wie auch Nuon hatten am deutschen Markt Strom und Gas angeboten, Nuon unter den griffigen Werbeslogans "Lekker Strom" und "Wakker Gas". "Jeder Zusammenschluss dämpft den Wettbewerb", sagte Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher. Gerade Nuon habe in Deutschland den vier dominierenden Verbundunternehmen Konkurrenz gemacht. Neben E.on und RWE sind dies Vattenfall Europe und Energie Baden-Württemberg. Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen warnte gestern vor der zunehmenden Konzentration am Energiemarkt. Dies sei "kein gutes Zeichen" für die Kunden, hieß es.

Die Konzentration der Energiebranche in Europa begann um das Jahr 2000 herum. Das Ziel der EU-Kommission war ursprünglich die Öffnung des Marktes für mehr Wettbewerb und der Rückzug des Staates aus den Energieversorgungsunternehmen. Tatsächlich bildete sich durch Fusionen und Übernahmen rasch ein Oligopol von Großkonzernen. So ging E.on aus dem Zusammenschluss von Veba und Viag hervor und schluckte später unter anderem den Hamburger Gasversorger Hein Gas, heute E.on Hanse. Auch in anderen europäischen Staaten entstanden Kolosse am Energiemarkt, in Frankreich etwa aus der Fusion von Suez und Gaz de France.

Vattenfall kaufte aus Schweden heraus eine Reihe ausländischer Versorger hinzu - darunter das Hamburger Traditionsunternehmen HEW und die Berliner Bewag - und ist heute am europäischen Strommarkt die Nummer vier nach GDF Suez, E.on und RWE. Mit der Übernahme von Nuon will Vattenfall laut Konzernchef Josefsson auch sein bislang nur schwach entwickeltes Erdgasgeschäft ausbauen. Nuon sei "ein viel stärkerer Akteur bei Erdgas" als der schwedische Konzern. Zunächst werde Vattenfall mit 49 Prozent der Anteile bei Nuon einsteigen und das Unternehmen in den kommenden sechs Jahren komplett übernehmen, sagte Josefsson. Nuon-Konzernchef Øystein Løseth sagte: "Gemeinsam verfügen Vattenfall und Nuon über die Größe, die erforderlich ist, um auch in Zukunft für zuverlässige, bezahlbare und saubere Energie zu sorgen."

Die Übernahmewelle in Europa war zuletzt vor allem mangels Kaufgelegenheiten ins Stocken geraten. Chancen für Zukäufe ergeben sich häufig, wenn sich der Staat bei Versorgungsunternehmen zurückzieht, so wie jetzt auch bei Nuon und zuvor bei Essent in den Niederlanden.

Auf Druck der europäischen Kommission werden die Höchstspannungsstromnetze in den kommenden Jahren mehr und mehr komplett von den Betreibern der Kraftwerke getrennt. Bestehen bleibt allerdings die hohe Konzentration der Kraftwerke in der Hand weniger Stromkonzerne. Die vier großen Verbundunternehmen in Deutschland etwa kontrollieren rund 90 Prozent der hiesigen Kraftwerkskapazität, den größten Anteil davon E.on und RWE.