Die Wirtschaftskrise wird im laufenden Jahr auch die Haushalte erreichen. “Es wird eine deutliche Zunahme von Privatinsolvenzen geben“, sagt Norbert...

Hamburg. Die Wirtschaftskrise wird im laufenden Jahr auch die Haushalte erreichen. "Es wird eine deutliche Zunahme von Privatinsolvenzen geben", sagt Norbert Sellin, Geschäftsführer von Bürgel Wirtschaftsinformationen. Das Unternehmen erwartet mehr als 140 000 Fälle, was einem Zuwachs von 17 Prozent gegenüber 2008 entsprechen würde. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform rechnet gar mit einer Zunahme der Fälle um 50 Prozent.

Ursache ist die zu erwartende Verringerung des Einkommens durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit. "Das ist der Hauptauslöser für die Überschuldung in diesem Jahr", sagt Sellin. In einer solchen Situation führen vorübergehende Liquiditätsengpässe, Ratenkredite, Nachzahlungen bei den Betriebsnebenkosten der Wohnung und der Energieabrechnung in eine finanzielle Schieflage. Gleichzeitig wird es schwieriger bei den Banken neue Kredite zu bekommen. Daneben können Scheidung, Tod des Partners oder lange Krankheiten sowie das Scheitern der Selbstständigkeit zur Überschuldung führen. So rechnet Creditreform 2009 mit bundesweit bis zu 35 000 Firmenpleiten, was einer Zunahme um 18 Prozent gegenüber 2008 entspricht.

Besonders gefährdet sind Männer und junge Frauen. "Knapp 60 Prozent aller Bundesbürger, die Privatinsolvenz anmelden, sind männlich", sagt Sellin. 65 Prozent der Fälle entfallen auf die 36- bis 60-Jährigen. Im Alter nimmt die Gefahr deutlich ab. Die Leute sind erfahrener im Umgang mit Geld und hatten mehr Zeit, Ersparnisse anzulegen. Außerdem sind die Kinder bereits aus dem Haus.

Für das Jahr 2008 verzeichnet Bürgel einen Rückgang der Privatinsolvenzen. Insgesamt meldeten 120 289 Bundesbürger Verbraucherinsolvenz an. Das sind 146 je 100 000 Einwohner. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Rückgang um 12,2 Prozent. Experten sehen allerdings auch einen Stau im Antragsverfahren und die Überlastung der Gerichte als Ursache für die sinkenden Zahlen.

Hamburg liegt mit einem Wert von 163 Fällen je 100 000 Einwohner gleich auf mit Berlin und bewegt sich damit im Mittelfeld (siehe Grafik). Insgesamt gibt es bei der Verschuldungsproblematik ein Nord-Süd-Gefälle. Bremen verzeichnet mit 236 die meisten Fälle. Die wenigsten Verbraucherinsolvenzen gibt es im Saarland. "Die Banken vergeben Kredite noch immer zu leicht", sagt Reinhard Bindemann von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Das ist die Ursache der Verschuldung", so der Schuldnerberater. Durch neue Kredite und Umschuldungen würden die Banken die Überschuldung forcieren. "Selbst Kredit- oder EC-Karten sind für viele Haushalte ein Problem, weil sie so den Überblick über ihre Ausgaben verlieren." Von Überschuldung sprechen Experten, wenn das Einkommen über einen längeren Zeitraum trotz Einsparungen nicht mehr ausreicht, die Lebenshaltungskosten sowie fällige Raten und Rechnungen zu bezahlen.

Wer tief in der Schuldenfalle steckt, kann zunächst außergerichtliche Schuldenregulierung mit den Gläubigern versuchen. Ein Verbraucherinsolvenzverfahren wird dann eingeleitet, wenn keine außergerichtliche Einigung erzielt werden konnte. Nach der Beantragung beim Insolvenzgericht beginnt eine sechsjährige Wohlverhaltensphase. In dieser Zeit wird versucht - soweit möglich - zumindest einen Teil der Schulden zu tilgen. Läuft alles korrekt ab, werden die restlichen Schulden nach den sechs Jahren komplett gestrichen.