Vorarbeiten laufen auf Hochtouren. Hilfen für Geldinstitute reichen noch nicht. Bundesregierung prüft Enteignung.

Hamburg. Die Finanzprobleme der Banken führen zu immer außergewöhnlicheren Maßnahmen. Die Bundesregierung hat jetzt einen Gesetzentwurf zur Änderung des Finanzmarkt-Stabilisierungsgesetzes ausgearbeitet. Dieser soll die Verstaatlichung privater Banken ermöglichen - insbesondere um die schwer angeschlagene Hypo Real Estate (HRE) zu retten. Enteignete Aktionäre müssen sich dabei auf sehr niedrige Entschädigungen einstellen. Nächste Woche soll daraus ein formeller Gesetzentwurf werden, so die "Süddeutsche Zeitung".

"Die Enteignung erfolgt durch Erlass einer Rechtsverordnung der Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundesrates", berichtet die"Frankfurter Allgemeine". Hauptbetroffener der Enteignung wäre der US-Finanzinvestor J.C. Flowers, der rund 25 Prozent der HRE-Aktien besitzt. Flowers würde voraussichtlich nur eine Entschädigung in der Höhe des aktuellen Kurses von 1,50 Euro je Aktie erhalten, hatte aber ursprünglich 22,50 Euro je Papier bezahlt.

Parallel arbeite die Regierung an den Grundlagen einer Bad Bank, in die Kreditinstitute ihre unverkäuflichen Wertpapiere auslagern können. "Zu diesem sehr komplexen Thema wird es keine kurzfristigen Lösungen geben", sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. Vom Tisch ist eine zentrale Bad Bank als Sammelstelle für die "giftigen" Papiere aller Institute zulasten der Steuerzahler. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) deutete an, dass jedes Institut die Chance bekommen könnte, Problempapiere aus der Bilanz auszulagern und so neu durchzustarten.

Diese Chance wollen jetzt die privaten Banken nutzen. Sie denken über eine eigene Bad Bank nach, wie aus einem Papier der Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) hervorgeht. Ein BdB-Sprecher sagte dem Abendblatt: "Es gibt solche Überlegungen, Entscheidungen sind aber noch nicht gefallen." Auch an einer solchen Einrichtung soll sich der Staat beteiligen. Bankenexperte Wolfgang Gerke sieht das kritisch: "Ich trete dafür ein, dass die Banken ihre Probleme mithilfe des Rettungspakts selbst schultern."

Doch die Zeit drängt. Spätestens wenn im April neue Quartalszahlen vorgelegt werden, wird sich die Diskussion um die Stabilität des Bankensystems verschärfen. "Ich rechne damit, dass bei den Landesbanken noch schlechte Nachrichten stückchenweise präsentiert werden", sagt Andreas Pläsier vom Bankhaus M.M.Warburg & CO. Bei den privaten Banken erwartet er neue Belastungen aus dem klassischen Kreditgeschäft mit Firmen und Verbrauchern. "Durch die Rezession wird sich die Risikovorsorge erhöhen."

Zu diesem klassischen Kreditrisiko kommen die Belastungen aus den faulen Wertpapieren, also verbrieften Krediten, die einst als renditestarke Anlage galten und jetzt nicht mehr handelbar sind. Nach einer Untersuchung von Bundesbank und Finanzaufsicht sollen bei den deutschen Banken noch nicht veräußerbare Wertpapiere von 300 bis 600 Milliarden Euro lagern, auf die noch keine Abschreibungen vorgenommen wurden. Allein die Commerzbank, die HRE, die Postbank und die Areal Bank hätten noch faule Wertpapiere von 93 Milliarden Euro in ihren Büchern, geht aus einer Studie von JP Morgan hervor. Auch die HSH Nordbank will 80 Milliarden Euro aus der Bilanz auslagern, darunter 30 Milliarden Euro sehr riskante Kreditgeschäfte.

Angesichts solcher Größenordnungen könnte sich das staatliche Bankenrettungspaket von 480 Millionen Euro als zu klein erweisen, zumal darin nur Eigenkapitalhilfen von 80 Milliarden Euro vorgesehen sind. Abschreibungen auf faule Wertpapiere zehren am Eigenkapital. Zwar enthält auch das Bankenrettungspaket die Möglichkeit der Übernahme fauler Wertpapiere, doch sind die Bedingungen dafür zu restriktiv, um die Probleme zu bewältigen.

Deshalb wird es immer wahrscheinlicher, dass weitere Rettungsschirme für die Banken gespannt werden müssen. Der Betriebswirtschaftsprofessor Martin Faust von der Frankfurt School of Finance hat sich für die Schaffung mehrerer Bad Banks auf der Basis des dreiteiligen deutschen Bankensystems ausgesprochen. "Für jede Institutsgruppe von den privaten Banken über die öffentlichen Banken bis zu den Genossenschaftsbanken sollte bei Bedarf eine eigene Bad Bank gegründet werden", sagte er dem Abendblatt.

Das erhöhe die Transparenz, auch wenn der Verwaltungsaufwand etwas höher als bei einer einzigen Bad Bank ausfällt. Faust sprach sich für die schnelle Schaffung solcher Auslagerungsinstitute für faule Wertpapiere mithilfe des Staates aus. "Ohne eine solche Möglichkeit, werden die Banken noch auf Jahre hinaus Krisennachrichten vermelden und die gesamte Wirtschaft negativ beeinflussen."

"Das größte Problem einer Bad Bank ist die Bewertung der Papiere, die dahin ausgelagert werden sollen", sagt Pläsier. Sobald sich der Staat daran beteiligt, steht er im Risiko. "Es müssen deshalb klare Regelungen schon beim Ankauf festgelegt werden, die auch berücksichtigen, dass die Papiere weiter an Wert verlieren können oder im Wert wieder steigen", sagt Bankenexperte Ulf Baxmann von der Universität Lüneburg dem Abendblatt. Eine Belastung des Staates werde es ohnehin geben, erwartet Faust. "Wenn die Banken die Papiere in ihren Bilanzen behalten, werden sie das Rettungspaket der Bundesregierung stärker beanspruchen als bisher."

Die Alternative zu einer Bad Bank wäre die komplette Verstaatlichung aller gefährdeten und systemrelevanten Banken, wie sie Willem Buiter von der London School of Economics vorschlägt. Gemessen an den niedrigen Börsenwerten der Institute käme das günstiger als die gigantischen direkten und indirekten Hilfen.