Der Verdrängungswettbewerb unter Drogerien wird härter: Marktführer Schlecker will seine Filialen zu XL-Märkten ausbauen. Die Gewerkschaft befürchtet, 4000 Läden könnten geschlossen werden - auch in Hamburg.

Hamburg. Die Drogeriekette Schlecker will seine Stellung mit einem neuen Ladenkonzept verteidigen, weil die Wettbewerber immer schneller wachsen - und vor allem über die besseren Ladenlokale verfügen. Statt kleiner, enger Läden mit nur rund 200 Quadratmeter Verkaufsfläche soll eine neue Vertriebsschiene "mit besonders großzügig und freundlich gestalteten Märkten von bis zu 800 Quadratmeter Verkaufsfläche" bundesweit ausgebaut werden, kündigte das Unternehmen an. Experten sprechen von XL-Märkten.

Ver.di befürchtet, dass dieses Konzept zulasten der Mitarbeiter geht. "Wir sehen durch diesen Konzernumbau ein hohes Arbeitsplatzrisiko für 12.000 Beschäftigte", sagt Achim Neumann von der Gewerkschaft Ver.di dem Abendblatt. Damit wäre in Deutschland fast jede dritte Stelle bei Schlecker in Gefahr. "4000 der 10.650 Filialen könnten geschlossen werden", sagt Neumann.

Die Zahlen seien aus der Luft gegriffen, hieß es bei Schlecker. Das schwäbische Unternehmen warf der Gewerkschaft ein "verantwortungsloses Schüren von Ängsten bei den Beschäftigten" vor. Nach Einschätzung eines Branchenexperten wurden bereits 2008 bundesweit 200 bis 400 kleine Filialen dichtgemacht. Auch vor Hamburg mit geschätzten 120 Filialen macht diese Entwicklung nicht halt. "In Hamburg werden Schlecker-Filialen geschlossen", bestätigt Ulrich Meinecke von Ver.di. "Teilweise in sehr unfairer Art, in dem die Mitarbeiter einfach einen Aufhebungsvertrag unterschreiben sollen."

Der Drogeriemarkt in Deutschland ist hart umkämpft. "Es herrscht ein klarer Verdrängungswettbewerb", sagt Rossmann-Sprecher Stefan Klose. In den letzten zehn Jahren seien fünf Drogerieketten als eigenständige Unternehmen vom Markt verschwunden. Kloppenburg wurde von Rossmann übernommen. Idea teilten sich Rossmann und die dm-Gruppe auf. Drospa und Ihr Platz schlüpften unter das Dach von Schlecker. Das Rennen machen Schlecker, Rossmann und dm unter sich aus, und der Marktführer droht dabei ins Hintertreffen zu geraten.

Zwar verweist Schlecker auf ein Umsatzwachstum von sechs Prozent. "Das ist dem Auslandsgeschäft geschuldet, im Inland verliert Schlecker Umsatz", sagt der Branchenexperte. "Wegen der Konkurrenz hat Schlecker seit Längerem massive Umsatzeinbrüche", bestätigt Neumann. Außerdem kämpft der Marktführer mit einem schlechten Image. "Anbieter wie dm oder Rossmann haben ein sehr gutes Image, das gilt aber nicht für den Marktführer Schlecker", sagt Boris Hedde von Psychonomics. Schlecker landete in einer Untersuchung mit minus 0,4 Punkten auf dem letzten Platz, während dm 78 und Rossmann 71 Punkte erreichte.

Jetzt kämpft der Marktführer mit der Last seiner vielen kleinen Läden. Für die geschätzten fünf Milliarden Euro Inlandsumsatz benötigt das Familienunternehmen 10 650 Filialen. Rossmann schafft gut die Hälfte des Umsatzvolumens mit 1490 Filialen. "Im Durchschnitt sind unsere Filialen 400 Quadratmeter groß, bei neuen Geschäften bevorzugen wir Größen von 600 Quadratmeter, da inzwischen 17 000 Produkte präsentiert werden müssen", sagt Klose. Kleine Läden haben viele Nachteile: Für die Produkte steht nur eine Regalreihe zur Verfügung. "Das Personal muss ständig nachfüllen", sagt ein Branchenkenner. Wenn Kunden im engen Gang stehen bleiben, kommt es zum Stau.

Die Wettbewerber reagieren auf den Vorstoß von Schlecker gelassen. "Das Unternehmen hat erst zehn solcher XL-Märkte eröffnet", heißt es von einem Wettbewerber. Ein solches Konzept lasse sich nicht schnell umsetzen, weil es an geeigneten Immobilien in den bevorzugten Lagen fehle.

Umso mehr sorgen sich die Beschäftigten von Schlecker. "Wir befürchten, dass die neu eingestellten Mitarbeiter in den XL-Märkten nicht mehr nach Tarif bezahlt werden", sagt Meinecke. Inzwischen beginnen die Mitarbeiter, sich zu wehren. Gewerkschafter Meinecke: "Für den größten Teil der Hamburger Filialen wird Anfang März erstmals ein Betriebsrat gegründet."