Schiedsgericht der Weltbank soll Schaden des Konzerns durch Atomausstieg behandeln. BUND spricht von “erpresserischem Instrument“.

Hamburg. Wegen des Atomausstiegs in Deutschland plant der Stromkonzern Vattenfall eine Klage vor einem Schiedsgericht der Weltbank in Washington. „Durch das Abschalten der Atomkraftwerke ist uns ein erheblicher Schaden entstanden“, sagte Vattenfall-Sprecherin Sandra Kühberger dem Abendblatt.

Nach Einschätzung des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) geht es dabei um fünf bis sechs Milliarden Euro. Anders als andere Stromkonzerne kann Vattenfall Reststrommengen der bereits abgeschalteten Atommeiler in Krümmel und Brunsbüttel nicht auf andere Kernkraftwerke übertragen.

„Wir haben um die Konstituierung des Schiedsgerichtes ersucht“, sagte die Vattenfall-Sprecherin. Das sei noch keine Klage vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID). Aber diese Abteilung der Weltbank löst für Konzerne Streitigkeiten, wenn sie ihre Gelder und Unternehmungen im Ausland durch die Politik bedroht sehen. Normalerweise richten sich diese Klagen von Energiekonzernen gegen südamerikanische Staaten, die Anlagen verstaatlichen oder plötzlich entgegen der Absprachen hohe Steuern erheben. Vattenfall sei nach wie vor an einer einvernehmlichen Lösung mit der Bundesregierung interessiert, so die Sprecherin.

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Bis zur Formulierung der eigentlichen Klageschrift können noch Monate vergehen. Dem schwedischen Konzern war allerdings die Zeit davongelaufen. Deshalb wurde das Verfahren, an dem nach Abendblatt-Informationen auch E.on beteiligt ist, am 31. Mai mit der Fallnummer ARB 12/12 in Washington eingereicht. Die Bundesregierung war wegen des Kompetenzwirrwarrs in der Energiewende gespalten. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und der inzwischen entlassene Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) waren sich wegen der Details von Atomausstieg und Förderung erneuerbarer Energien nicht grün. Kanzlerin Angela Merkel hatte zwischenzeitlich ohne die beiden einen Energiegipfel veranstaltet und das Thema zur Chefsache erklärt.

„Mit diesem Schritt offenbart Vattenfall seine eigentliche Haltung zum Atomausstieg. Gerade in Hamburg hat das Unternehmen in den letzten Monaten versucht, auf Gutwetter zu machen und sich als Partner der Stadt und der Energiewende zu verkaufen. Vattenfall hat sich jetzt selbst entlarvt“, sagte Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg. Mit dem Verfahren nutze Vattenfall erneut „das intransparente und erpresserische Instrument eines internationalen Schiedsverfahrens außerhalb des europäischen Rechtssystems“.

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Bei einer früheren Klage wegen des Kraftwerkes Moorburg hatte es einen Vergleich gegeben. Per Gesetz wurden die Auflagen für Vattenfall gelockert. Die Umweltschützer fordern nun dem Hamburger Senat auf, „mit Vattenfall Klartext zu reden“. Die regierende SPD Hamburg rühme sich ihrer Verdienste am Atomausstieg. Dabei müsse der deutsche Steuerzahler für den Schaden aufkommen, falls Vattenfall in Washington Recht bekomme.