Die deutsche Angst vor Inflation sitzt tief. Seit Monaten spüren Verbraucher die Teuerung an der Zapfsäule. Die Aufholjagd von Euro-Krisenländern wie Italien könnte die Preise in Deutschland klettern lassen.

Frankfurt/Main. Das Inflationsgespenst ist wieder da. Zwar rechnen führende Volkswirte mittelfristig mit moderaten Teuerungsraten im Euroraum. Doch dass kurzfristig womöglich Deutschlands Verbraucher die Rettung von Euro-Krisenländern wie Griechenland, Spanien und Italien mit höheren Preise bezahlen müssen, treibt die Menschen um. Die Angst vor massiver Geldentwertung hat sich tief ins kollektive Gedächtnis der Deutschen eingebrannt: Die Hyperinflation des Jahres 1923 vernichtete die Ersparnisse der kleinen Leute, Banknoten wurden zum wertlosen Papierfetzen. Je länger die Euro-Schuldenkrise anhält, umso größer die Sorgen vieler Verbraucher, die Geschichte könnte sich wiederholen.

Ist unser Geld noch sicher?

Europas Währungshüter sind bemüht, die Inflationsrate bei einem moderaten Wert von „unter, aber nahe bei 2,0 Prozent“ zu verankern. Seit Einführung des Euro 1999 erreichte die Europäische Zentralbank (EZB) als Hüterin einer stabilen Währung dieses Ziel fast punktgenau - mit Ausnahme des Krisenjahres 2011. EZB und Bundesbank versichern: Trotz aller Sondermaßnahmen im Kampf gegen die Schuldenkrise bleibt die Wahrung von Preisstabilität oberstes Ziel der Währungshüter.

War unser Geld zu D-Mark-Zeiten sicherer?

Nein. In den Jahren 1999 bis einschließlich 2010 betrug die durchschnittliche jährliche Inflationsrate im Euro-Währungsgebiet 1,97 Prozent, in Deutschland nur 1,5 Prozent. In den 1990er Jahren - also vor der Euro-Einführung – wurde in Deutschland im Schnitt eine jährliche Preissteigerung von 2,2 Prozent verzeichnet. In den 80er Jahren lag die Teuerungsrate hierzulande sogar bei 2,8 Prozent.

Was ist eigentlich schlecht an Inflation?

Inflation steht für Geldentwertung. Je mehr das Geld entwertet wird, desto weniger Waren und Dienstleistungen können Verbraucher kaufen. Die Kaufkraft sinkt also, ebenso der Wert der Ersparnisse. Bis zu einem gewissen Grad frisst also Inflation das Geld auf, etwa weil Banken für Spareinlagen Zinsen bieten, die unterhalb der Teuerung liegen. Auf der anderen Seite zehrt Inflation aber auch Schulden auf. Billiges Geld kann zu Inflation und zur Überhitzung der Wirtschaft führen. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker warnte einmal: „Inflation ist wie Zahnpasta: Sie drückt sich leicht aus der Tube raus, aber sehr schwer wieder rein.“

Warum kommen auf Deutschland voraussichtlich steigende Preise zu?

Mit drastischen Reformen versuchen etwa Italien und Spanien wettbewerbsfähiger zu werden. Dafür müssen dort die Löhne sinken, um die Fehlentwicklung der letzten Jahre rückgängig zu machen. In Deutschland dagegen läuft die Konjunktur gut. Nach Jahren der Lohnzurückhaltung stehen hier wieder deutliche Tariferhöhungen an. Kräftige Lohnerhöhungen könnten eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen. Dass sich die „solide Konjunkturentwicklung und die gesunde Verfassung des Arbeitsmarkts“ in Deutschland in höheren Löhnen niederschlagen werde, sei „eine ganz normale Entwicklung“, sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann am Freitag im dpa-Interview. „Sie darf aber in Deutschland nicht dazu führen, dass Löhne und Preise aus dem Ruder laufen. Deutschland darf nicht vergessen, dass es sich im globalen Wettbewerb behaupten muss.“

Was bewirken die weit geöffneten Geldschleusen der EZB?

Mit Zinsen auf Rekordtief und Milliarden für klamme Banken will die Notenbank die schwächelnde Konjunktur anschieben und ein Austrocknen der Kreditströme verhindern. Die EZB muss die zusätzliche Liquidität aber rechtzeitig wieder aus dem System ziehen, damit sie nicht durch ihre expansive Geldpolitik die Inflation anheizt, die sie eigentlich bekämpfen will. Wenn mehr Geld im Umlauf ist, sorgt das tendenziell für mehr Inflation. Noch parken viele Banken die Milliarden bei der EZB. Das heißt, das Geld kommt gar nicht wirklich in Umlauf. Manche Ökonomen sind jedoch skeptisch, dass es der EZB gelingen wird, die zusätzlichen Milliarden wieder aus dem Markt zu ziehen. Sie rechnen daher langfristig mit höheren Inflationsraten.

Warum ist die Angst vor Inflation in Deutschland so groß?

Das liegt zum einen an der Erfahrung mit der Hyperinflation: Im November 1923 lag der Wechselkurs für einen Dollar bei rund 4,2 Billionen Mark. Der Währungsverfall trieb Millionen Deutsche in die Armut. Zum anderen liegt es aber auch an der Tatsache, dass seit Monaten vor allem Produkte wie Kaffee und Benzin teurer werden - Waren also, die Verbraucher regelmäßig kaufen, und deren Preisanstieg deshalb sofort auffällt. Damit ist dann die „gefühlte Inflation“ oft noch höher als die von Statistikern gemessene.