Die Hilfsorganisation Oxfam Deutschland wirft der deutschen Finanzbranche vor, durch Spekulation mit Nahrungsmitteln den weltweiten Hunger zu verschärfen.

Berlin. Die Hilfsorganisation Oxfam Deutschland stellte am Mittwoch aus Anlass der in München stattfindenden Hauptversammlung der Allianz die Kampagne „Mit Essen spielt man nicht! – Die deutsche Finanzbranche und das Geschäft mit dem Hunger“ vor.

Der Studie zufolge halten deutsche Finanzinstitute 11 Milliarden und damit rund ein Sechstel des weltweit geschätzten Anlagevolumens in Agrarrohstoffen von 68,8 Milliarden Euro. Den Spitzenplatz nehme die Allianz ein. Sie legte laut Studie 2011 rund 6,24 Milliarden Euro direkt und indirekt in Nahrungsmitteln an. Auf Platz zwei folgte die Deutsche Bank mit 4,57 Milliarden Euro.

Die Allianz erklärte dazu, für den weltweiten Hunger seien an erster Stelle das rasante weltweite Bevölkerungswachstum sowie der wachsende Wohlstand, die zunehmende Nachfrage nach Biokraftstoffen, klimabedingte Ernteschäden, begrenzte Bewässerungsmöglichkeiten und Korruption verantwortlich. Die Fonds der Allianz zielten „weder in ihrer Struktur noch in ihrer Steuerung auf eine Verknappung von Nahrungsmitteln. Sie fragen keine physischen Nahrungsmittel nach und deshalb gehen wir davon aus, dass sie nicht die Preise treiben“. Investitionen in den Nahrungsmittelsektor seien notwendig, um angesichts der rasant wachsenden Weltbevölkerung mehr Nahrungsmittel zu produzieren.

Demgegenüber erklärte Oxfam, bei der Spekulation gingen Finanzakteure wie Banken, Hedgefonds, Pensions- und Staatsfonds bewusst Risiken ein, indem sie auf steigende oder fallende Nahrungsmittelpreise setzten, in der Hoffnung, schnell hohe Gewinne zu erzielen. Die Hilfsorganisation appellierte an die Bundesregierung, sich gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln auszusprechen. Zusammen mit den Organisationen Attac, Campact, Misereor, Südwind, Weed und der Welthungerhilfe forderte sie die Deutschen auf, eine entsprechende Petition an die Bundesregierung zu richten.

Laut Oxfam zeichnet sich seit Anfang 2000 ein deutlicher Trend der zunehmenden Spekulation mit Nahrungsmitteln ab. Innerhalb der vergangenen Jahre seien die Nahrungsmittelpreise auf den Weltmärkten zwei Mal in die Höhe geschossen. 2010/11 seien dadurch zusätzlich 44 Millionen Menschen in armen Ländern in den Hunger getrieben worden.

„Viele Studien beleuchten den Zusammenhang zwischen Nahrungsmittelspekulation, Preisschwankungen und Hunger“, sagte Frank Braßel, Leiter der Oxfam-Kampagne. Während Familien in Deutschland lediglich etwa zehn Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgäben, müssten Familien in armen Ländern oft bis zu 80 Prozent aufbringen. „In Armut lebende Menschen etwa in Kambodscha, Äthiopien oder Somalia können höhere Preise nicht abfangen. Dann müssen erst die Frauen auf Mahlzeiten verzichten und schließlich hungert die gesamte Familie“, erklärte Braßel.

Erste europäische Geldinstitute haben Konsequenzen gezogen und ziehen sich aus der Spekulation mit Nahrungsmitteln zurück, betont Oxfam. Die Hilfsorganisation hat die Allianz im März aufgefordert, diesem Beispiel zu folgen. Bislang weise das größte deutsche Versicherungsunternehmen diesen Vorschlag zurück, weshalb Oxfam auf der Hauptversammlung im Münchener Olympiapark zusammen mit den „Kritischen Aktionären“ einen Antrag auf Nicht-Entlastung des Vorstands stellt und vor dem Gebäude protestiert.

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hatte im vergangenen Jahr angekündigt, dass der Vorstand den Ausstieg aus Finanzspekulationen mit Nahrungsmitteln prüft. Im April hatte die Fondsgesellschaft der Sparkassen, Deka, mitgeteilt, aus der Spekulation mit Nahrungsmitteln auszusteigen. (kna)