Die Gewerkschaft IG Metall wirft der Bundesregierung vor Maritimer Konferenz in Wilhelmshaven Untätigkeit vor und verlangt Stützung der Werften.
Hamburg. Am Freitag und Sonnabend tagt in Wilhelmshaven die 7. Nationale Maritime Konferenz, eine Art Gipfeltreffen der maritimen Wirtschaft in Deutschland. Die Gewerkschaft IG Metall kritisiert im Vorfeld der Tagung die Bundesregierung scharf für deren bisherige Bilanz in der Schiffbaupolitik. "Der deutsche Schiffbau ist durch die Weltwirtschaftskrise schwer unter Druck gekommen und hat die Folgen längst nicht bewältigt", sagte Meinhard Geiken, der Leiter des IG-Metall-Bezirks Küste, gestern in Hamburg. "Die deutsche Werftindustrie hat eine Zukunft. Schiffbaupolitik findet aber seit einem Jahr praktisch nicht mehr statt."
Die Kritik richtet sich vor allem an das Bundeswirtschaftsministerium. In der vorvergangenen Woche hat Philipp Rösler (FDP) von seinem Parteifreund Rainer Brüderle die Führung des Ministeriums übernommen. "Wir hoffen, dass Rösler, der aus Niedersachsen kommt, mehr Verständnis für die Belange der Schiffbauindustrie und der Situation an der Küste hat", sagte Heino Bade, Schiffbauexperte der IG Metall Küste. "Rainer Brüderle hat die Chancen des deutschen Schiffbaus überhaupt nicht verstanden und sich für das Thema nicht interessiert."
Die Zahl der festen Arbeitsplätze auf den deutschen Werften sank nach der Statistik des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik seit der Weltwirtschaftskrise 2008 von 23 000 auf derzeit noch rund 18 000. In der Zulieferbranche ging die Zahl auf rund 72 000 zurück. Vor allem im Geschäft mit Handelsschiffen scheinen die deutschen Werften gegenüber der übermächtigen Konkurrenz in Asien nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Hoffnungen der deutschen Schiffbauindustrie ruhen nun vor allem auf der Offshore-Windkraftbranche. Dutzende von Windkraftparks sollen in den kommenden Jahren vor der deutschen Nordsee- und Ostseeküste gebaut werden. Ausrüstungen dafür - etwa Umspannplattformen - wie auch die Spezialschiffe für den Aufbau und die Wartung der Windturbinen könnten den deutschen Werften für die kommenden Jahre lukrative Aufträge bescheren. "Die deutschen Werften können alle Schiffe und Anlagen bauen, die dafür gebraucht werden", sagte Bade.
Von Beginn an aber drängen auch asiatische Konzerne in das Geschäft hinein. So sicherte sich etwa Daewoo in Südkorea, die drittgrößte Werft der Welt, Aufträge der RWE-Tochter Innogy für Offshore-Montageschiffe, die künftig Windparks in der Nordsee errichten sollen. Die IG Metall kritisiert, dass es im Schiffbaumarkt zwischen Europa und Asien seit Jahren keinen fairen Wettbewerb gebe: "Deutschland hat sich von Subventionen für den Schiffbau längst verabschiedet, wie es die EU-Gesetzgebung verlangt", sagte Bade. "Speziell in China und Südkorea werden die Werften vom Staat aber nach Belieben finanziell unterstützt. Seit die Verhandlungen über den Schiffbau bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Ende 2010 gescheitert sind, gibt es praktisch kein Forum mehr, um das zu thematisieren."
Die IG Metall fordert von der Bundesregierung deshalb, die Werften zumindest mit öffentlichen Bürgschaften und besseren Finanzierungsbedingungen zu unterstützen. Die bundeseigene KfW-Bank, aber auch die Europäische Investitionsbank (EIB) könnten hier deutlich mehr tun, sagte Bezirksleiter Geiken: "Industriepolitisch müsste die Bundesregierung ein dringendes Interesse daran haben, die Werften zu stützen. Denn oft sind die Schiffbaubetriebe in ihren strukturschwachen Heimatregionen an der Küste die letzten großen industriellen Arbeitgeber."