Frankreichs Finanzministerin Lagarde Favoritin für IWF-Chefsessel. “DSK“ auf Kaution frei, Staatsanwalt in New York erhebt Anklage

Washington/Berlin. Nach dem Rücktritt von Dominique Strauss-Kahn ("DSK") als Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat das Rennen um seine Nachfolge begonnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will wieder einen Europäer an der Spitze, wie dies seit der Gründung der Institution 1945 Brauch war. Gespräche in der EU hätten bereits begonnen, sagte sie gestern in Berlin. Denn das war bislang die informelle Abmachung: Die Schwesterorganisation Weltbank in Washington leitet ein US-Bürger, den IWF aber ein Europäer.

Doch zuletzt haben sich die Gewichte in der Weltwirtschaft verschoben: Boomländer wie China, Indien und Brasilien haben mehr Einfluss beim IWF und wollen auch Führungspositionen besetzen. Die USA haben ebenfalls zu verstehen gegeben, dass sie nichts dagegen hätten, wenn die Europäer an Einfluss verlören. Allerdings hat die Kanzlerin für ihre Position die Unterstützung Frankreichs, wie Europaminister Laurent Wauquiez mitteilte. Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ist für einen Europäer an der IWF-Spitze. Derzeit deutet vieles auf die französische Finanzministerin Christine Lagarde als Kandidatin der Europäer hin. Die Bundesregierung unterstütze Lagarde, erfuhr das "Handelsblatt" aus Koalitionskreisen. Deutschland verzichte auf die Benennung eines eigenen Kandidaten.

Viermal schon war der IWF-Chef ein Franzose. Niemals ein Brite, niemals ein Italiener, einmal nur ein Spanier, zweimal ein Schwede und einmal ein Belgier und ein Deutscher - Horst Köhler, der von 2000 bis 2004 amtierte und danach Bundespräsident wurde.

Laut "Handelsblatt" steht die Benennung Lagardes noch unter dem Vorbehalt, dass sie in Frankreich nicht wegen Amtsmissbrauchs angeklagt wird. Sie soll eine Entscheidung zugunsten des Skandalunternehmers Bernard Tapie beeinflusst haben. Lagarde schwieg gestern zu ihren Ambitionen.

Strauss-Kahn hatte die Konsequenz aus der Sexaffäre gezogen und war von seinem Amt zurückgetreten. Aus der U-Haft heraus begründete der 62-Jährige seinen Schritt nach dreieinhalb Jahren an der Spitze der mächtigen Finanzorganisation damit, dass er den Währungsfonds schützen wolle. Fünf Tage nach seiner Festnahme wegen des Verdachts der versuchten Vergewaltigung eines 32 Jahre alten Zimmermädchens in einer 3000-Dollar-Suite in einem New Yorker Luxushotel ist "DSK" gestern offiziell angeklagt worden. Die Grand Jury nahm alle sechs von der Staatsanwaltschaft ermittelten Vorwürfe an. Damit steht fest: Dem Banker wird in den USA der Prozess gemacht. Gegen ihn lägen bedeutende Beweise vor, sagte ein Sprecher.

Dennoch wurde Strauss-Kahn gestern gegen eine in der US-Justizgeschichte beispiellose Kaution vorerst aus der Haft entlassen. Er muss nicht nur eine Million Dollar (700 000 Euro) in bar hinterlegen, sondern der Richter forderte weitere fünf Millionen als Garantie, für die Strauss-Kahn als Sicherheit seine Häuser anbot. Doch sein Leben wird auch in Freiheit nicht frei sein.

So darf der Franzose New York nicht verlassen, muss seine beiden Reisepässe abgeben. In einer mit Videokameras überwachten Wohnung in Manhattan, die seine Frau anmietete, wird er unter Hausarrest gestellt. Bewaffnete Sicherheitsleute sollen jeden seiner Schritte überwachen. Immerhin: Der Bonvivant kann bis zum Prozess statt in seiner Einzelzelle auf der Gefängnisinsel Rikers Island in teuren Betten schlafen und edles Essen bestellen.