Illegale Preis-Absprachen, Aufteilung von Märkten? Wettbewerbshüter ermitteln bei Containerlinien Hapag-Lloyd, Hamburg Süd und Maersk.
Hamburg. Gestern Vormittag saß Michael Behrendt beim Verband Deutscher Reeder (VDR) in der Esplanade. Dort präsentierte er den Medien die Haltung des Schifffahrtsverbandes in einem Streit mit der Bundesregierung. Es geht um die Mehrkosten für Frachtschiffe, die unter deutscher Flagge anstatt von anderen europäischen Staaten fahren. Behrendt ist Präsident des VDR.
Im eigenen Haus nicht weit entfernt drohte dem Manager zur selben Zeit Ärger ganz anderer Art. Hauptberuflich leitet Behrendt Deutschlands führende Containerlinienreederei Hapag-Lloyd. Dort wie auch bei Hamburg Süd an der Willy-Brandt-Straße tauchten am Morgen Mitarbeiter der EU-Wettbewerbskommission auf. Die Ermittler verschafften sich Zugang zu sensiblen Unterlagen. Die Kontrolleure gehen dem Verdacht nach, dass führende Containerlinienreedereien wettbewerbswidrige Absprachen getroffen haben. Dies könnten Preisabsprachen sein, Behinderungen von Konkurrenten oder auch eine Aufteilung bestimmter regionaler Märkte untereinander.
Das unschöne Thema betrifft Schifffahrtsunternehmen in verschiedenen europäischen Ländern. Wer und wo genau gefilzt wurde, teilte die EU-Kommission gestern nicht mit. Im Visier der Ermittler steht aber neben den beiden deutschen Unternehmen auch die weltgrößte Containerlinienreederei Maersk mit Sitz in Kopenhagen, wie das Unternehmen selbst bekannt gab.
Die EU-Kommission betonte, dass zunächst nur ein Anfangsverdacht bestehe. Die Durchsuchungen seien noch kein Beleg für eine Schuld der Unternehmen. Die Ermittlungen könnten sich über Monate hinziehen, sagte ein Kommissionssprecher dem Abendblatt.
Die Reedereien reagierten gestern am frühen Abend. Sowohl Hapag-Lloyd und Hamburg Süd wie auch Maersk wiesen jeden Verdacht illegaler Absprachen von sich. "Die Geschäftsführung, die Regionsleitung und die Fachabteilungen haben die Mitarbeiter stets auf die schriftlichen Regelungen hingewiesen und sie darauf geschult", sagte eine Sprecherin von Hamburg Süd dem Abendblatt. "Wir gehen davon aus, dass der Anfangsverdacht unbegründet ist. Gleichwohl stellen wir der Kommission alle gewünschten Unterlagen und Informationen zur Verfügung."
Bei Hapag-Lloyd hieß es: "Hapag-Lloyd arbeitet eng mit der ermittelnden Behörde zusammen. Wir sind davon überzeugt, dass wir in Übereinstimmung mit den EU-Wettbewerbsregeln handeln." Eine sinngemäß gleiche Erklärung veröffentlichte Maersk.
Bis zum Jahr 2008 waren Kartelle in der Linienschifffahrt legal. In den sogenannten Konferenzen durften sich die Reedereien über Transportpreise für Container und verschiedene andere Preise und Kosten drumherum absprechen. Die EU-Kommission verbot dieses System für die in Europa ansässigen Reedereien. Schon Jahre zuvor hatte man in der Branche gern betont, dass die Möglichkeiten zur Absprache rein theoretisch seien. In der Praxis, so hieß es stets, setzten sich letztlich doch immer die Eigeninteressen der einzelnen Unternehmen durch.
Die 20 größten Containerlinienreedereien kontrollieren den Weltmarkt praktisch komplett. Maersk steht, gemessen an der Transportkapazität, auf Rang eins, Hapag-Lloyd an der 5. und Hamburg Süd an der 13. Stelle. Besonderes Gewicht haben die drei größten Anbieter Maersk, MSC mit Sitz in der Schweiz sowie die französische CMA CGM. Sie bewegen mehr als ein Drittel der weltweiten Transportkapazität auf Containerschiffen.
Innerhalb der Branche sind Preissteigerungen relativ transparent. Reedereien wie Hapag-Lloyd verschicken regelmäßig Mitteilungen zur Erhöhung der Frachtraten. Dies kann von Konkurrenten leicht zur Orientierung für eigene Anhebungen der Containertransportpreise genommen werden. Allerdings liefern sich vor allem Maersk und MSC einen harten Kampf um den weltweiten Spitzenplatz in der Containerschifffahrt. Dieser wird nicht nur über die Einzelpreise für die Container ausgetragen, sondern auch durch den Einsatz immer größerer Containerfrachter.