Es ist der teuerste Zukauf der Unternehmensgeschichte des Software-Konzerns. Droht nun eine neue Internetblase?
New York. Es sind Zahlen, die schwindelig machen. 8,5 Milliarden Dollar zahlt Microsoft jetzt für die Übernahme von Skype. Für einen Dienst, der Telefonate kostenlos oder für ein paar Cent über das Internet anbietet - und bis heute keinen Gewinn abwirft. Zugleich buhlen Facebook und Google mit bis zu zehn Milliarden Dollar um den Gratis-Kurznachrichtendienst Twitter. Facebook selbst wird mit atemberaubenden 50 Milliarden Dollar gehandelt, das ist doppelt so viel wie der Börsenwert des Industrieriesen ThyssenKrupp. Die Marke Google bewerten Experten mit der unvorstellbaren Summe von 111 Milliarden Dollar - die Suchmaschine ist damit nach Apple die zweitteuerste Marke der Welt. Im Web-2.0-Monopoly um junge, coole Internetfirmen werden derzeit wieder Rekordpreise geboten.
Microsoft heizt die Übernahmeschlacht mit seinem neuesten Zukauf weiter an. Der Windows-Konzern zahlt mit 8,5 Milliarden Dollar (5,9 Milliarden Euro) mehr als dreimal so viel wie einst Ebay, das den Dienst vor sechs Jahren für "nur" 2,6 Milliarden Dollar erworben hatte. Es ist der bisher größte Zukauf von Microsoft in der 36-jährigen Firmengeschichte. Möglicherweise ist der Preis auch das Ergebnis eines Bieterwettstreits: Zuletzt hatte es Berichte über Gespräche von Skype mit Google und Facebook gegeben.
Die hohen Preise erinnern an die Internetblase von vor zehn Jahren, die New-Economy-Helden gebar, welche auf Wirtschaftskonferenzen aufgeregter umlagert wurden als die Chefs von Siemens oder Daimler. "Ich würde heute noch nicht von einer Blase sprechen, immerhin können die Internetunternehmen bewährte Geschäftsmodelle vorweisen", beurteilt Haspa-Analyst Marco Günther die aktuelle Situation in der IT-Szene. Als risikoarm bewertet der Finanzexperte die Milliarden-Investments in die Internetunternehmen allerdings auch nicht. "Die Firmen haben keine lange Historie - wie sie sich im Auf und Ab der Konjunkturzyklen schlagen, kann heute noch niemand sagen", sagte Günther dem Abendblatt.
Vorteil für die Anleger: Die meisten der Internetfirmen sind noch gar nicht an der Börse. Wenn Facebook, der Gutscheinanbieter Groupon oder Twitter straucheln, rauschen nicht noch einmal ganze Börsensegmente in die Tiefe, lediglich einige Kapitalgeber müssten sich bei der Zweityacht oder anderen kostspieligen Hobbys einschränken.
Für Microsoft ist der Skype-Deal ein strategisches Investment: Konzern-Chef Steve Ballmer, der das meiste Geld nach wie vor mit dem Betriebssystem Windows und den Office-Büroprogrammen verdient, versucht schon seit Jahren, mit Milliarden-Investitionen neue Geschäftsbereiche zu erschließen. Die Verkäufe von klassischen Computern gehen zurück, und im wachsenden Markt der Smartphones und Tablet-PC hat Microsoft den Anschluss verpasst.
Auch im Internet versucht der Softwarekonzern aus Redmond schon lange, Anschluss an Google zu finden - inzwischen im Tandem mit Yahoo. Vor einigen Jahren war der Unmut sogar schon so groß, dass Microsoft Yahoo für fast 50 Milliarden Dollar kaufen wollte. Zuletzt konnte Microsofts Suchmaschine Bing dem Rivalen Google zwar einige Prozentpunkte Marktanteil abringen. Doch für diesen kleinen Erfolg musste Microsoft teuer bezahlen, wie die Geschäftszahlen zeigen.
Mit Skype kauft Microsoft zwar einen Dienst, der 2010 noch sieben Millionen Dollar Verlust erlitt. Doch das wachsende Interesse an Internetfirmen ist kein Zufall. Zu Zeiten des New-Economy-Crashs 1999 gab es weltweit 150 Millionen Internetnutzer, heute surfen 1,8 Milliarden Menschen im Netz und bieten ein attraktives Publikum für Werbetreibende. Angesichts eines solchen Kundenpotenzials erreichen viele Internetfirmen die Gewinnschwelle viel schneller als vor zehn Jahren und sind damit begehrte Übernahmekandidaten, aber auch potente Käufer: Insbesondere die etablierten Unternehmen haben zuletzt so viel Geld verdient, dass die Gesellschafter auf Investitionen drängen. Google hat 33 Milliarden Dollar Bargeld für Zukäufe angehäuft, aber auch bei Apple oder Hewlett-Packard steigt das Fusionsfieber. Die Übernahmeschlacht wird weitergehen.