Wolfsburger wollen ihr Autoimperium mit Marken wie Audi, Skoda oder Porsche durch Nutzfahrzeuge komplettieren
Hamburg. Für VW könnte es derzeit gar nicht besser laufen. Im ersten Quartal ist der größte europäische Autobauer der Weltspitze nähergekommen und hat erstmals mehr Autos verkauft als der bisherige Marktführer Toyota. Die Geschäfte in China laufen glänzend, und Finanzchef Hans Dieter Pötsch hat mittlerweile mehr als 20 Milliarden Euro in der Kasse. Was tun mit dem vielen Geld? VW-Patriarch Ferdinand Piëch signalisierte bereits Interesse an dem zu Fiat gehörenden italienischen Autohersteller Alfa Romeo, er will den Anteil von 20 Prozent am japanischen Hersteller Suzuki ausbauen und natürlich die zweite Hälfte des Sportwagenherstellers Porsche übernehmen. So weit zu den Pkws, bei denen VW das Klassenziel offenbar erreicht hat.
Jetzt nimmt Piëch die Nutzfahrzeuge ins Visier. Gestern nannten die Wolfsburger erstmals das Ziel, neben dem Pkw-Imperium mit Marken wie Audi, Skoda oder Bugatti auch noch einen integrierten Lkw-Konzern schaffen zu wollen. Selbst Brancheninsider waren allerdings überrascht, dass VW gestern mitteilte, seinen Anteil am Nutzfahrzeughersteller MAN bereits auf über 30 Prozent erhöht zu haben. Börsenhändler hatten eher erwartet, dass der skandinavische Konkurrent Scania für MAN bieten werde und nicht VW. Mit Überschreiten der 30-Prozent-Schwelle muss VW nach Aktienrecht nun den übrigen Aktionären ein Pflichtangebot für ihre Papiere machen.
Schon seit Monaten versucht VW vergeblich, seine Lkw-Beteiligungen MAN und Scania enger zusammenzuführen - jetzt will der Konzern offenbar aufs Gaspedal drücken und mit mehr gemeinsamen Projekten Kosten sparen. "Das Nutzfahrzeuggeschäft ist für uns ein hochinteressantes, strategisches Geschäftsfeld. Wir wollen deshalb jetzt den Weg für eine engere Zusammenarbeit zwischen MAN, Scania und Volkswagen ebnen und damit die Voraussetzungen schaffen, um zum Wohle aller Aktionäre Synergien zu heben", erklärte VW-Vorstandschef Martin Winterkorn. Synergien deuten Einsparpotenziale an, VW beruhigte die Mitarbeiter allerdings schon vorsorglich: "Selbstverständlich respektieren wir die Mitbestimmungs- und Arbeitnehmerrechte in vollem Umfang und stehen zu Standorten und Beschäftigten", sagte Winterkorn. Die Eigentumsverhältnisse zwischen VW, MAN und Scania sind verwirrend: MAN hält 17 Prozent an Scania, VW hält 30,47 Prozent an MAN und 71 Prozent der Stimmrechte an Scania. Im Endeffekt bestimmen aber die Wolfsburger jetzt, und ihr Engagement in dem für sie neuen Markt kommt nicht zum richtigen Zeitpunkt. Denn der Lastwagenmarkt hat nach Einbrüchen mächtig Fahrt aufgenommen.
Nach Branchenangaben wurden im vergangenen Jahr weltweit 14,2 Millionen Nutzfahrzeuge produziert, nach 10,7 Millionen im Krisenjahr 2009. Für das laufende Jahr prognostiziert Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen einen Zuwachs auf mehr als 15 Millionen Nutzfahrzeuge.
Auf die Hersteller kommen wegen der Verschärfung von Abgasnormen auch hohe Investitionen in neue Technologien zu. Und VW muss sich auf ehrgeizige Konkurrenten einstellen: Weltweiter Branchenprimus bei schweren Lkws ist Daimler, dahinter folgen chinesische Hersteller wie Dongfeng oder Foton. Und die nehmen bereits den europäischen Markt ins Visier.