Ein freiwilliger Rückzug ist möglich, sagen Experten. Gemeinschaftswährung unter Druck
Hamburg. Die Spekulationen um einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone haben die Gemeinschaftswährung stark unter Druck gesetzt: Innerhalb von rund einer Stunde sackte der Kurs am frühen Freitagabend um rund eineinhalb US-Cent auf bis zu 1,4365 Dollar ab.
Allerdings blieb zunächst unklar, ob ein Euro-Ausstieg Athens derzeit tatsächlich eine realistische Option ist. Eindeutig ist nur, dass kein Euro-Mitgliedsland aus diesem Kreis ausgeschlossen werden kann, während ein freiwilliger Austritt zumindest theoretisch möglich ist.
Die rechtliche Lage ist jedoch komplex. Ein eigenmächtiger Rückzug aus der Währungsunion sei nur möglich, wenn ein Land gleichzeitig aus der EU austritt, schrieb Phoebus Athanassiou, Jurist bei der Europäischen Zentralbank (EZB), im Jahr 2009 in einem Fachartikel. Das wäre allerdings nach dem Vertrag von Lissabon möglich, in Paragraph 50 heißt es: "Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten."
Eine andere Variante untersuchte das britische Wirtschaftsmagazin "The Economist". Demnach könnte ein Land einfach ein Gesetz verabschieden, wonach die Gehälter seiner Staatsbediensteten, soziale Leistungen und auch Zinsen für Staatsschulden künftig in einer neuen Währung gezahlt werden. Der private Sektor müsste dann notgedrungen folgen. Es würde sich automatisch ein neuer Wechselkurs der Währung einspielen: Im Fall Griechenland wäre die Neu-Drachme weniger wert als der offizielle Umrechnungskurs zum Euro.
Dies würde Griechenlands Wirtschaft helfen, an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den verbliebenen Ländern der Gemeinschaft zu gewinnen. Das größte Problem wäre dem "Economist" zufolge aber die Zeit der Umstellung auf die neue Währung, die eine Vielzahl logistischer und finanzpolitischer Fallstricke aufweise. Der Kapitalverkehr müsste eingeschränkt werden und möglicherweise sogar die Reisefreiheit, um ein Chaos an den Märkten und in der Bevölkerung zu verhindern. Nicht zuletzt aus diesem Grund hält Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer den Austritt eines Landes aus dem Euro für sehr unwahrscheinlich, wie er dem Abendblatt kürzlich sagte: "Sobald klar wäre, dass es dazu kommt, würde die Bevölkerung dieses Landes ihre Banken stürmen und die Ersparnisse in bar abheben, weil klar wäre, dass die künftige Währung - sagen wir die Drachme - extrem abwerten würde."
Kein Bankensystem der Welt hielte einem solchen Ansturm stand, so Krämer. Außerdem würden institutionelle Anleger in großem Umfang Staatsanleihen dieses Landes verkaufen. Denn ein Großteil dieser Anleger seien Versicherungen und Pensionsfonds, die durch ihre Anlagerichtlinien gezwungen würden, solche Papiere abzugeben.
Aus diesen Gründen müsse ein Land schon völlig verzweifelt sein, um einen solchen Schritt zu wagen, glauben die Autoren des "Economist". Auch der frühere Bundesbank-Präsident Axel Weber hatte einen Euro-Austritt bei früherer Gelegenheit als "vollkommene Utopie" bezeichnet.