Bankanalysten schimpfen, EU-Kommissar Barnier mahnt, US-Experten lästern. Und der Euro fiel zeitweilig auf ein Vier-Jahres-Tief.

Brüssel/Düsseldorf. Der deutsche Alleingang bei dem Verbot von Leerverkäufen stößt weltweit auf Kritik. EU-Finanzregulierungskommissar Michel Barnier mahnte angesichts des deutschen Vorpreschens in Brüssel, „regulatorische Willkür und eine Aufsplitterung innerhalb der EU und global“ müsse verhindert werden. Der Kurs des Euro sank nach der Bekanntgabe des Verbots gegenüber dem Dollar auf ein Vier-Jahres-Tief, erholte sich dann aber wieder etwas. Kritik kam auch von Bankanalysten.

Zur Eindämmung der Spekulationen an den Finanzmärkten hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ab Mittwoch in Deutschland ungedeckter Leerverkäufe von Anleihen der Staaten in der Euro-Zone verboten. Untersagt sind außerdem ungedeckte Leerverkäufe von Aktien mehrerer Finanzunternehmen, darunter die von Allianz, Commerzbank, Deutscher Bank und Postbank – sowie der Abschluss ungedeckter Kreditausfallversicherungen, sogenannter Credit Default Swaps (CDS), soweit diese sich auf Risiken von Staaten der Euro-Zone beziehen. Die Verbote gelten zunächst bis Ende März nächsten Jahres.

EU-Kommissar Barnier betonte, er verstehe die Sorge über mögliche Auswirkungen der riskanten Transaktionen auf die unruhigen Märkte. Doch sei es „wichtig, dass die EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam handeln“. Die Angelegenheit müsse deswegen auf dem Eurogruppen-Finanzministertreffen am Freitag in Brüssel besprochen werden. Notwendig sei ein europäisches Regelwerk, um Willkür und Fragmentierung zu vermeiden.

Er verwies darauf, dass die Kommission bereits eine Arbeitgruppe eingesetzt habe und dass er binnen weniger Wochen Empfehlungen für Leerverkaufs-Regelungen vorlegen werde. Einen formellen Vorschlag der Kommission werde es aber erst im Oktober geben.

Schneller reagierte der Markt. Das unerwartete Verbot ungedeckter Leerverkäufe schickte in der Nacht zu Mittwoch eine Schockwelle durch die internationalen Finanzmärkte. Der Kurs des Euro sank am Dienstagabend auf 1,2160 Dollar, den niedrigsten Stand seit April 2006. Doch erholte sich die Währung am Mittwochmorgen wieder etwas.

Vor allem dass die BaFin das Verbot erst vier Stunden vor Inkrafttreten auf seiner Internetseite veröffentlicht habe, sei „der Hammer“, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person. Betroffen seien praktisch sämtliche großen Banken. „Die machen das doch alle“, hieß es.

Auch in den USA sorgte das deutsche Vorgehen für Kopfschütteln. Der Alleingang wirke wie ein hilfloses Um-Sich-Schlagen, meinte der Währungsexperte der New Yorker Investment-Firma Brown Brothers, Marc Chandler. „Es erscheint unausgegoren und nicht wirklich durchdacht und bestärkt Marktzweifel an der Glaubwürdigkeit der europäischen Politik.“

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