Abendblatt-Redakteur Tino Lange, 34, erfand mit “Niveaulimbo“ das Jugendwort des Jahres 2010. Im Jahr 2000.
Wacken Open Air im Sommer 2000. Wir stehen mittags dort, wo man bei einem Rockfestival nach reichlichem Genuss von Bier (aus der Dose) und Texas-Bohneneintopf (auch aus der Dose) nun mal steht: in der langen Schlange vor den mobilen Toilettenhäusern. Ein Freund wird langsam, aber sicher ungeduldig: "Mir reicht das hier. Heute pinkel ich nicht mehr!" Schnell entwickelt sich eine fragwürdige Debatte über Körperfunktionen auf Festivals.
Da wird es auch mir zu bunt. Inspiriert durch einen mit Filzstift aufgemalten Spruch an einem Klohäuschen-Türschlitz ("Vorsicht vor Limbo-Tänzern!") versuche ich das andauernde Unterschreiten der Grenzen des guten Geschmacks - einer Limbotanz-Stange gleich - zu beenden: "Schluss jetzt mit Niveaulimbo!" - es hilft tatsächlich. Und "Niveaulimbo" wird zum Running Gag im Freundeskreis.
Es ist auch ein schönes Wort, wie geschaffen zur Beschreibung von Mallorca-Partys, Privatfernsehen und anderen Gelegenheiten, wo man es mit guten Sitten nicht so genau nimmt. So machte ich auch beruflich reichlich Gebrauch von "Niveaulimbo". Schon am fünften Tag als Praktikant beim Hamburger Abendblatt, am 8. Juni 2001, schummelte ich das Wort ins Blatt.
Und dann immer und immer wieder. Irgendwie muss das Wort die Runde gemacht haben, bis irgendjemand dieses Jahr "Niveaulimbo" zum - hüstel - "Jugendwort des Jahres" des Langenscheidt-Verlags vorschlug, das die Jury-Abstimmung einstimmig gewann.
Die entsprechende Agenturmeldung landete gestern auch hier in der Redaktion und ich konnte natürlich nicht die Klappe halten. "Na dann, schreiben Sie das mal schön auf", sagte der Chef. Als hätte ich das iPad erfunden oder "Die Blechtrommel" geschrieben. Dabei habe ich nur vor zehn Jahren völlig belanglosen Unsinn dahergeredet. Eben: Niveaulimbo.