Ärger am Hals? Die grüne Revolte gegen den Krawattenzwang im Bundestagspräsidium.
Man hat schon viel gehört von Uwe Kekeritz. Im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und in seinem Wahlkreis Neustadt an der Aisch (Bayern) hat sich der Grünen-Abgeordnete große Verdienste erworben. So groß, dass Kekeritz im ehrwürdigen Gebäude des Reichstages, den der deutsche Kaiser Wilhelm II. einst eine "Quasselbude" nannte, Schriftführer werden durfte.
Nun ist das Reich passé. Geblieben ist dem Bundestag gewordenen Reichstag aber die Etikette von anno dazumal. Und plötzlich hatte Schriftführer Kekeritz buchstäblich Ärger am Hals. Denn wer im Hohen Hause in Sichtweite des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) sitzt, hat Krawatte zu tragen, auch wenn der Schlips-Zwang nicht in der Geschäftsordnung des Bundestages steht. Doch Lammert und das Präsidium hatten verfügt: Der jeweilige Sitzungspräsident soll das Erscheinungsbild der Schriftführer festlegen. Jetzt will Kekeritz nicht mehr vorne bei den hohen Tieren sitzen. Er ließ sich von seinen Pflichten als Schriftführer kurzerhand entbinden. Er fühlt sich seinem Gewissen, aber keiner Kleiderordnung unterworfen.
Anders als die Öko-Idole Joschka Fischer (der mit den Turnschuhen) und Jürgen Trittin (der mit der roten Vergangenheit) widersetzen sich neben Kekeritz auch weitere grüne Abgeordnete der Krawatte beim Marsch durch die modischen Institutionen. Dabei muss man ernsthaft fragen, ob zum Bundestags-Knigge nicht auch das Verbot von Handys, iPads und raschelndem Zeitungspapier zählen sollte.
Gegen das Schlips-Gebot ließe sich sogar wissenschaftlich argumentieren. Die Studie einer US-Augenklinik ergab, dass eine eng gebundene Krawatte bereits drei Minuten nach dem Binden den Augeninnendruck des beschlipsten Mannes um bis zu 20 Prozent erhöht. Dies könnte auch den etwas verkniffenen Blick des Bundestagspräsidenten erklären. Der soll als Antwort auf die Revoluzzer in seinem Haus schon den passenden Schlachtruf gefunden haben: Liberté, Egalité, Krawatté.