Hamburg. Senat gibt Verzögerung zu. Darunter sollen große Wirtschaftsverbrechen und andere heikle Fälle sein
Der Innensenator war aufgebracht: Es sei „verantwortungslos“, einen Zusammenbruch der Kriminalpolizei in Hamburg zu beschreien, polterte Andy Grote (SPD) in der vergangenen Woche bei einer Festrede – eine überraschend heftige Antwort auf den Alarm des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), wonach die Personalnot ein kritisches Niveau erreicht habe. Tatsächlich ist durch eine Anfrage der CDU an den Senat belegt, dass 8000 Fälle zurückgestellt wurden. Über die Interpretation der Daten wird aber gestritten.
Der Senat ist bemüht, die Zurückstellung als „weitgehend harmlos“ zu verkaufen. Zwar gebe es durch die Aufarbeitung des G-20-Gipfels eine besondere Belastung, die Ermittlungen in zurückgestellten Fällen könnten sich um „wenige Wochen (...) oder auch mehrere Monate“ verzögern. „Erfahrene Sachgebietsleiter“ würden aber eine Prioritätenliste erstellen – zudem würde beachtet, dass Straftaten nicht verjähren. Der BDK-Landeschef Jan Reinecke kritisiert dagegen, dass den Beamten nicht gesagt werde, welche Aufgaben unter den Tisch fallen sollen: „Der Schwarze Peter bleibt beim Sachbearbeiter hängen.“
Strittig ist zudem, inwieweit die Ermittlungen der Polizei auch bei schwereren Straftaten auf sich warten lassen. Der BDK hatte mit Verweis auf interne Quellen angegeben, dass mindestens 20 Verfahren in großen Wirtschaftsverbrechen und auch heikle Fälle von häuslicher Gewalt wegen der Überlastung derzeit liegen bleiben würden. Die Polizei teilt in ihrer Statistik lediglich mit, dass fast alle Rückstellungen im Bereich der „Massen- und Alltagskriminalität“ lägen – zu weiteren 370 Fällen macht der Senat aber keine Angaben. Im Übrigen seien bei vielen zurückgestellten Verfahren lediglich Versandhändler oder andere Unternehmen betroffen. „Das ist ein schlechter Versuch, die Bürger zu beschwichtigen. Straftat ist Straftat, es gibt kein schlimm und weniger schlimm“, sagt der CDU-Innenexperte und Fragesteller Dennis Gladiator.
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer hatte zugegeben, dass etwa die Zusammenarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft verbessert werden könne. Dies sei auf den Weg gebracht worden – wie auch die Einstellung neuer Beamter. Zudem sei die Kriminalität in vielen Bereichen rückläufig. BDK-Landeschef Reinecke warnt davor, dass „der Anspruch, dass jeder Fall anständig ermittelt wird“, nicht mehr erfüllt wird. Der CDU-Abgeordnete Gladiator betont, dass nur bearbeitete Fälle in die Kriminalstatistik einfließen. „Bei so vielen Rückstellungen ist die Lage also vermutlich nicht ganz so rosig, wie es scheinen mag.“