Königin Silvia und König Carl XVI. Gustaf von Schweden bekamen ein Privatkonzert – und waren begeistert: Das Konzerthaus sei ein „Juwel“, schwärmte die Königin, die Akustik „fabelhaft“
Als Königin Silvia über den roten Teppich ins Rathaus schritt, konnten die drei Damen an der Treppe ihr Glück kaum fassen. Eine Stunde hatten Ernte-Königin Inken Bornhöft sowie ihre Prinzessinnen Natalie Zboinski und Victoria Schering geduldig für diesen einen Moment ausgeharrt. Das Bibbern im nasskalten Hamburger Wind hatte sich für die Botschafterinnen der Vier- und Marschlande am Ende gelohnt. Königin Silvia freute sich sichtlich über den Blumenstrauß, lobte die Tracht der Frauen und posierte sogar für ein gemeinschaftliches Foto. Mehr geht nicht an einem Tag wie diesem. Rund fünf Stunden weilte das schwedische Königspaar am Donnerstag im Rahmen seines viertägigen Staatsbesuchs in der Hansestadt.
Mit dem Intercity-Express war die Delegation am Vormittag aus Berlin angereist. Am Bahnhof Dammtor wartete eine Kolonne mit Polizei-Motorrädern auf den hohen Besuch. Um 10.44 Uhr, also mit vier Minuten Verspätung, stiegen dann König Carl XVI. Gustaf im dunklen Anzug und seine Gattin Silvia, schwedenblaues Kostüm mit Umhang, vor dem Rathaus aus dem Fond ihres Wagens. Beide winkten den etwa 400 Hamburgern zu. Die Atmosphäre war entspannt, die schwedische Delegation hatte gebeten, auf großes Brimborium zu verzichten. „Es gibt kein deutsches Normalgehirn, das bei dem Gedanken ,Schweden‘ andere als angenehme, freundliche, gute Gedanken hätte“, hatte Bundespräsident Joachim Gauck schon am Vortag seine Gäste in Berlin mit einem Kurt-Tucholsky-Zitat begrüßt. Etwas enttäuscht waren nur 13 Schüler der skandinavischen Schule an der Hoheluft, die eigens für das Königspaar schwedische Wimpel gebastelt hatten. Sie standen so ungünstig an der Absperrung, dass sie kaum wahrgenommen werden konnten.
Nach eine kurzen Begrüßung durch Bürgermeister Olaf Scholz stand schon der nächste Termin an, die Teilnahme an einem Kongress über nachhaltigen Verkehr im Albert-Schäfer-Saal in der benachbarten Handelskammer. Die Teilnehmer erhielten vorab klare Direktiven. „Wenn das Königspaar gleich den Saal betritt, stehen wir bitte alle auf und setzen uns erst hin, wenn auch die Majestäten Platz genommen haben“, mahnte die Protokollchefin.
Präses Fritz Horst Melsheimer hob die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Staaten hervor: „800 Hamburger Unternehmen haben Geschäftsbeziehungen mit schwedischen Partnern.“ Umso wichtiger sei die Fehmarnbelt-Querung, dann werde Hamburg die südlichste skandinavischste Stadt.
Wer den Termin in der Handelskammer verfolgte, konnte erahnen, unter welch immensem Zeitdruck das Königspaar steht. „Only 30 seconds“, „nur 30 Sekunden“, mahnte die schwedische Protokollchefin den letzten Redner aus der Delegation, einen renommierten Experten für Mobilität. Den Eintrag in das Gästebuch nahmen Carl Gustaf und Silvia quasi im Vorbeigehen vor, wahrscheinlich dürfte ihnen der kleine Fehler im Einleitungstext – der König wurde als Carl XVII. Gustaf, er ist aber Carl XVI. Gustaf – bezeichnet, kaum aufgefallen sein. Der ungewollte Sprung in die Zukunft spielte auch keine Rolle, viel wichtiger war der Handelskammer, dass ihre Strategie „Treffen Sie ein Staatsoberhaupt“ wieder einmal aufgegangen war – der Kongress war hochkarätig besetzt, ein Türöffner auch für deutsche Unternehmen.
Bei Räucherforellen, Schwarzwurzelsalat, Holsteiner Kalbsrücken, Kartoffelgratin mit Bergkäse, Birnen-Sauerrahmcréme mit Haselnussstreusel, Brombeere und Vanille sprach Scholz dann im Rathaus mit seinen Gästen auch ausführlich über die Flüchtlingsproblematik, für beide Länder eine große Herausforderung. „Wir haben vor allem viele unbegleitete, junge Flüchtlinge aufgenommen“, sagte Silvia.
Nach dem Essen, laut Protokoll ein Senatsfrühstück, nahm sich die Königin Zeit für die noch immer wartenden Fans, schüttelte nach eigenem Bekunden „viele kalte Hände“. Es sei für sie beeindruckend gewesen, dass viele Hamburger so lange in der Kälte für sie ausgeharrt hätten. Dann setzte sich die Wagenkolonne erneut in Bewegung, steuerte das Ziel Elbphilharmonie an. Kurz zuvor hatten die Musiker den Saal über einen Lastenaufzug geentert, vorbei an etwa 70 wartenden Reportern. Und ausgerechnet in diesem Moment kippte ein kleiner Kran beim Abtransport um, Bauleiter wurden gerufen, um die entstandenen Kratzer an den Wänden mit Fotos zu dokumentieren.
Weder Scholz noch das Königspaar bekamen von dem kleinen Malheur indes etwas mit. Stattdessen lauschten sie fasziniert rund eine Dreiviertelstunde lang einem Mozart-Konzert, dirigiert von Thomas Hengelbrock.
Mit fast kindlicher Begeisterung trat das Königspaar anschließend vor die Medien. „Die Elbphilharmonie ist ein Juwel, ich kann Ihnen zu diesem Konzerthaus nur gratulieren“, schwärmte Königin Silvia. Die Akustik sei „fabelhaft“. In den zehn Minuten gab es auch sonst nur lobende Worte für die Gastgeber. Hamburg sei so schön, auch die neuen Gebäude würden sich perfekt einpassen.
Allerdings hatte die Protokollchefin die Reporterschar auch zuvor ermahnt, „only good questions“ zu stellen, also nur gute Fragen. Wohl eine überflüssige Bitte, in diesem Rahmen hätte sich auch der hartgesottenste Boulevardreporter unhöfliche, sehr private Fragen verkniffen. Ohnehin hat sich die Aufregung um angebliche Herrenabende seiner Majestät in Nachtclubs sowie Gerüchte um eine Affäre mit der ehemaligen Popsängerin Camilla Henemark in den 90er-Jahren gelegt. Die unautorisierte Biografie, die Ende 2010 dem Bild vom skandalfreien Vorzeigepaar hässliche Kratzer zufügte, ist in Schweden kein großes Thema mehr. ARD-Adelsexperte Rolf Seelmann-Eggebert, am Donnerstag als einziger Reporter von der Königin persönlich begrüßt, glaubt ohnehin nicht, dass die Gerüchte Carl XVI. Gustaf allzu sehr beschädigt haben: „Die Schweden sind da sehr entspannt, sie denken eher, der König ist eben einer von uns.“ Und Silvia sei in ihrer Heimat ohnehin unglaublich beliebt. Die Schweden, sagt Seelmann-Eggebert, seien stolz auf eine so kluge und schöne Königin. Das schwedische Thron-Märchen – Silvia Sommerlath hatte ihren späteren Mann als Hostess bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München kennengelernt – fasziniere noch immer.
Direkt nach dem Elbphilharmonie-Abstecher reiste das Königspaar zurück nach Berlin, diesmal per Hubschrauber, da in der Hauptstadt schon die nächsten Termine drängten. Carl Gustaf hätte übrigens nichts gegen eine erneute Bahnfahrt gehabt: „Ich mag Zugfahren, da kann man sehr schön die Landschaft studieren.“