Bergedorf. Wie Abendblatt-Reporterin Dorothea Benedikt die Schüsse in Neuallermöhe erlebte
Bei den Schüssen auf einen Radfahrer in Neuallermöhe war Abendblatt-Redakteurin Dorothea Benedikt zufällig in Tatortnähe. So erlebte sie das Drama:
Das Lachen und Schreien von Kindern ist zu hören. Sie spielen am Badesee in Neuallermöhe. Bei dem schönen Wetter zieht es am Sonntag viele Familien dorthin. Plötzlich fallen Schüsse. Schlagartig ist es still. Dann wieder Schüsse. Ein Mann, nur mit Shorts bekleidet, sackt an der Einmündung zum Badesee am Fanny-Lewald-Ring zusammen, bleibt regungslos auf dem Fußgängerweg gegenüber der Kita liegen. Kugeln haben den 28-Jährigen in Kopf und Oberkörper getroffen. Er atmet nicht mehr. Drei Mädchen, die mit Fahrrädern vom Badesee kommen, finden den Mann. Auch Anwohner kommen angelaufen. Ein Busfahrer stoppt und versorgt mit anderen das Opfer. Die Helfer bedecken ihn mit einer Folie aus dem Erste-Hilfe-Kasten des Busses.
Kinder, die vom Badesee kommen, sollen den blutverschmierten Mann mit dem freien Oberkörper nicht sehen. Ein Mädchen bricht weinend auf der Brücke zusammen. „Er ist tot“, wimmert sie. Mehr als zehn Minuten nach den tödlichen Schüssen trifft der erste Streifenwagen am Tatort ein. Kurz darauf folgt ein Rettungswagen. Die Helfer versuchen, den Mann zu reanimieren. Auch im Krankenwagen kämpfen sie um das Leben des Opfers – jedoch ohne Erfolg. Die Ärzte im Krankenhaus können nur noch den Tod des Mannes feststellen.
Zum Tatort kommt eine völlig aufgelöste Frau gelaufen. Als die tödlichen Schüsse fielen, fuhr sie mit ihrem sechs Jahre alten Sohn im Auto über die Brücke. Eines der Projektile habe den hinteren linken Reifen ihres blauen A-Klasse-Mercedes getroffen. „Ich habe Gas gegeben und bin weg. Mein Sohn saß hinten“, sagt die Frau, die rund 100 Meter weiter ihr Auto mit dem platten Reifen stoppt. Sie ist sichtlich mitgenommen. Auch andere Zeugen stehen schockiert am Tatort. Sie berichten, das Opfer sei mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Andere können nicht fassen, wie skrupellos der Täter ist. Noch vor Ort werden die drei jungen Mädchen, die das Opfer entdeckt haben, von der Feuerwehr versorgt. Sie kommen später mit einem Schock ins Krankenhaus. Vor allem eine Frage treibt die Zeugen um: Wer ist der Schütze?
Die Polizei fahndet sofort. Dabei wird in Tatortnähe auch der Schwager des Opfers überprüft. Weil es zu dem Zeitpunkt noch keinen Tatverdacht gegen ihn gibt, kann der Mann gehen. Dieser ergibt sich aber später – auch aufgrund der Personenbeschreibung von Zeugen. Am Montag, in den frühen Morgenstunden, erfolgt die Festnahme: Beamte des Mobilen Einsatzkommandos stürmen das zehn Minuten Fußweg vom Tatort entfernte Reihenhaus, in dem der Mann wohnt, und nehmen ihn fest. Dabei geht ein Fenster zu Bruch. Das ganze Ausmaß der Schießerei, die einer Hinrichtung gleicht, wird erst später deutlich. Bis zu acht Schüsse soll der Schütze mit einer Handfeuerwaffe auf das Opfer abgegeben haben. Außer dem Autoreifen sind durch die Projektile noch ein Rollladen und eine Fensterscheibe beschädigt worden.
Wie aus Polizeikreisen verlautet, soll das 28 Jahre alte Opfer schon mal einen Streit mit dem Tatverdächtigen gehabt haben, angeblich war sogar eine leichte Körperverletzung im Spiel. Worum es dabei konkret ging, ist aber unklar. In seiner polizeilichen Vernehmung soll der 33-Jährige die Tat bestritten haben. Wenige Stunden später wird er wieder auf freien Fuß gesetzt. Bisher sei er von Zeugen nicht eindeutig identifiziert worden, heißt es aus Ermittlerkreisen, ein dringender Tatverdacht habe sich daher nicht konkretisieren lassen.