Wie sicher sind die Bürger in der Hansestadt vor Verbrechen? Die aktuelle Kriminalstatistik zeigt: Wohnungseinbrüche sind ein großes Problem. Aber wenn Haus oder Wohnung technisch gut geschützt sind, scheitern die Banden
Die Sicherheitslage in Hamburg ist insgesamt stabil, beruhigen die Verantwortlichen. Allerdings sind die Fallzahlen bei den Straftaten Mord, Einbruch und Diebstahl im vergangenen Jahr teils deutlich gestiegen. Das geht aus der neuen Polizeilichen Kriminalstatistik hervor, die Innensenator Andy Grote (SPD) und Polizeipräsident Ralf Martin Meyer am Montag präsentierten. Die Polizei verzeichnete 243.969 Straftaten im Jahr 2015, ein leichter Anstieg von 1,7 Prozent, wobei die Hälfte der Steigerung auf ausländerrechtliche Verstöße zurückgeht.
Die Soko „Castle“ ist erfolgreich – trotzdem wurde mehr eingebrochen
Innensenator Grote – der erst seit dem 20. Januar 2016 das Amt innehat – gab sich bei der Vorstellung der Statistik selbstkritisch: „Neben positiven Entwicklungen gibt es auch Bereiche, in denen wir nicht zufrieden sein können“, sagte er. Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist trotz intensiver Bemühungen der Soko „Castle“ im Vergleich zum Vorjahr um 1516 Taten auf insgesamt 9006 Fälle gestiegen (plus 20,2 Prozent).
Dennoch könnten die Ermittler inzwischen erste Erfolge verbuchen: Die seit August eingesetzte Soko hat 24 Serien mit 217 Einzeltaten aufgeklärt und 87 Festnahmen veranlasst. Die Aufklärungsquote liegt bei 53,7 Prozent. „Problematisch ist, dass die Einbrecher wenig Spuren hinterlassen und wir es sehr häufig mit ,reisenden Tätern‘ zu tun haben“, sagte Meyer.
Die Arbeit der Soko solle fortgesetzt werden. „Dieser Tatbereich beeinflusst das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen besonders.“ Der Versuchsanteil bei Einbruchsdelikten liegt der Statistik nach bei 41,7 Prozent und ist damit der zweithöchste Wert seit 44 Jahren. Die Einbrecherbanden scheiterten also oft an gut gesicherten Fenstern und Türen.
Insbesondere unter den jungen Tatverdächtigen sind viele Ausländer
Auffällig ist ein deutlicher Anstieg der nicht deutschen Tatverdächtigen in der Statistik. So waren von 73.808 Tatverdächtigen im Jahr 2015 rund 33.000 Ausländer, 3504 Personen oder 11,7 Prozent mehr als noch 2014. Auch ihr Anteil im Vergleich zu deutschen Tatverdächtigen stieg bereinigt von 39,7 auf 45,4 Prozent an.
Ein Teil dieses Anstiegs (rund 2000 Fälle oder drei Prozent) geht auf Verstöße gegen ausländerrechtliche Vorschriften zurück. Besonders stark stieg die Zahl der ausländischen Verdächtigen im Alter von unter 21 Jahren, hier wurden abhängig von der Altersgruppe zwischen 19 und 33 Prozent mehr Tatverdächtige ohne deutschen Pass registriert. Bei Erwachsenen stieg der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen mit 7,7 Prozent vergleichsweise moderat.
Laut Aufschlüsselung nach Herkunftsländern der Täter macht sich in den Zahlen mutmaßlich auch die Flüchtlingskrise bemerkbar. So stieg die Zahl der afghanischen Tatverdächtigen von 1717 auf 2557 Personen, ein Plus von 48,9 Prozent.
Mit 1202 albanischen Tatverdächtigen lag die Anzahl der mutmaßlichen Täter knapp fünfmal so hoch wie noch im Vorjahr. Insgesamt den größten Anteil an Tatverdächtigen machen weiterhin Türken und Polen aus, ihre Anzahl ging aber um jeweils etwa elf Prozent zurück.
Fast doppelt so viele politisch motivierte Taten wie noch im Jahr 2014
Die Zahl der politisch motivierten Taten ist insbesondere im rechten Spektrum 2015 deutlich gestiegen. Die Polizei verzeichnete im vergangenen Jahr 562 solcher Delikte. 2014 waren es noch 296. Dabei standen die Tatbestände der Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Vordergrund.
Das Internet gewinne auch in diesem Bereich an Bedeutung, einfach weil es mehr genutzt werde, sowohl von Tätern als auch von aufmerksamen Bürgern, die entsprechende Taten bemerkten und anschließend zur Anzeige brächten. Jedoch sei der extreme Anstieg von Delikten kritisch zu sehen: „Zum Beispiel haben wir einen einzigen Chat-Verlauf gesichert, in dem gleich mehr als 90 solcher Verstöße enthalten waren“, sagte Frank-Martin Heise, der stellvertretende Leiter des Landeskriminalamts.
2015 wurden weniger Vergewaltigungen und Nötigungen zur Anzeige gebracht
Die Zahl der bekannt gewordenen Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung ist dagegen im Vergleich zum Vorjahr um 22 Fälle auf 145 gesunken. „Im 20-Jahres-Vergleich liegt der Wert damit nur um einen Fall über dem Tiefstand von 2011“, sagt Heise.
Wie viele Fälle verzeichnet werden, hängt in besonderer Weise von der Anzeigenbereitschaft der Opfer ab. Unterstützung bekomme die Polizei dabei von Hilfseinrichtungen wie Ragazza und Nexus. Davon profitieren beispielsweise Prostituierte, da die Zusammenarbeit jetzt eine anonymisierte Prüfung des potenziellen Falls ermögliche.
Heise nahm bei der Vorstellung der Statistik auch Stellung zu den Vorfällen in der Silvesternacht. Noch könne man nicht abschließend sagen, ob es sich bei den sexuellen Übergriffen auf Frauen um ein einmaliges Phänomen gehandelt habe, sagte der stellvertretende LKA-Chef. „Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.“
Derzeit habe die extra eingesetzte Soko „Silvester“ 21 Tatverdächtige ermittelt, denen Übergriffe sowohl an der Großen Freiheit als auch am Jungfernstieg zugeordnet wurden. Bei den Verdächtigen handelt es sich nach Angaben der Polizei ausnahmslos um Männer mit Migrationshintergrund. Dabei stünden sowohl Flüchtlinge, die in Erstaufnahmeeinrichtungen wohnten, im Fokus als auch Menschen, die seit Jahren in Deutschland lebten. Weitere Täter seien von Opfern auf Übersichtsbildern erkannt worden, konnten aber von den Ermittlern noch nicht identifiziert werden.
Taschendiebstähle auf gleichem Niveau, dafür weniger Körperverletzungsdelikte
Die Anzahl der Taschendiebstähle ist mit 20.237 Fällen zwar nur minimal gestiegen, aber weiterhin hoch. „Die große Magnetwirkung der Stadt Hamburg schlägt hier zu Buche“, sagte Meyer. Die Aufklärungsquote ist mit 4,8 Prozent nahezu unverändert niedrig. Erfolge kann die Polizei dagegen vor allem im Bereich von Körperverletzungsdelikten (21.580 Fälle, minus 2,8 Prozent), Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (1521 Fälle, minus 13,1 Prozent) und beim Betrug mit Kapitalanlagen (30 Fälle, minus 94,3 Prozent verbuchen.
Die Soko „Rocker“ hat bislang 48 Ermittlungsverfahren eingeleitet
Das vergangene Jahr endete mit einigen spektakulären Einsätzen der Polizei, die die Reaktion auf eine Auseinandersetzung zwischen den verfeindeten Rockerbanden Hells Angels und Mongols waren. Um die Rockerkriminalität in den Griff zu bekommen, gründete die Polizei die Soko „Rocker“.
Eine erste Bilanz zeigt, dass die Arbeit der Soko zu 48 Ermittlungsverfahren und elf Haftbefehlen geführt hat sowie zu 71 Durchsuchungen und elf Razzien. Die Beamten stellten bei den Rockern nach Angaben der Polizei zehn scharfe Schusswaffen, acht Macheten, zwei Schwerter und sechs Messer sowie Betäubungsmittel sicher.
Zahl der Drogentoten ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen
Wie die Statistik weiterhin zeigt, ist die Zahl der Drogentoten in Hamburg stark gestiegen. Im Jahr 2015 starben 59 Menschen durch den direkten Konsum oder infolge von Rauschmittelmissbrauch – acht Opfer oder 15,6 Prozent mehr als im Vorjahr.
Mit 19 Opfern geht der größte Anteil der Todesfälle auf sogenannte polyvalente Vergiftungen mit mehreren Opiaten zurück, darunter sehr häufig Heroin. Auch bei den durch einzelne Drogen verursachten Todesfälle machen Opiate den größten Anteil aus (13 Tote). Nach der Statistik starben darüber hinaus 18 Menschen an den Langzeitfolgen ihres Drogenkonsums sowie insgesamt vier Menschen an Vergiftungen mit Crack, Amphetamin und Methamphetamin sowie Kokain.
Nach Polizeiangaben bewegt sich der Anstieg der Drogentoten im Rahmen der Schwankungen in den vergangenen Jahren. So wurden im Jahr 2013 noch 62 Tote gezählt.
Langzeitvergleich zeigt viele positive Entwicklungen
Sieht man sich die Statistik im Abstand von zehn Jahren an, ist die Kriminalität in Hamburg in vielen Bereichen auf einem extrem niedrigen Stand. So wurden vor 20 Jahren noch mehr als doppelt so viele Autoaufbrüche registriert wie im vergangenen Jahr. 1995 gab es mehr als doppelt so viele angezeigte Fälle von Vergewaltigung wie im vergangenen Jahr.
Was der Langzeitvergleich aber auch zeigt: Es wird deutlich ruppiger im Alltag. Die Zahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen steigt kontinuierlich an. Mittlerweile passieren in Hamburg mehr als doppelt so viele Fälle wie 1985. Die Gewaltkriminalität ist seit 1995 hoch geblieben.