Was hat das Meer mit unseren Fingernägeln zu tun? Wie würden Fische im Duell mit einem Porsche abschneiden? Unnötige, aber unterhaltsame Informationen liefert Lorenz Schröters Buch “Das kleine Kielschwein“.

Das Meer ist alles. Es bedeckt sieben Zehntel der Erde. Sein Atem ist rein und gesund. Es ist eine immense Wüste, wo ein Mann nie alleine ist, in dem er fühlen kann, wie das Leben aller in ihm bebt. Das Meer ist nur ein Behälter für alle die ungeheuren, übernatürlichen Dinge, die darin existieren; es ist nicht nur Bewegung und Liebe, es ist die lebende Unendlichkeit." Jules Verne beschrieb in "20000 Meilen unter dem Meer", was viele Menschen angesichts des magischen Wassers fühlen.

So endlos weit das Meer - laut Hemingway der "letzte freie Ort auf der Welt" - erscheint, so sehr kann sich die Beschäftigung mit dem Maritimen im Detail verlieren.

Wussten Sie zum Beispiel, dass es schon im 17. Jahrhundert eine Versicherung für gefährdete Hamburger Seeleute gab? Die "Hamburger Sklavenkasse" diente dazu, im Mittelmeer verschleppte Seeleute von Piraten freizukaufen. Pro Mark Heuer musste ein Schilling Versicherung gezahlt werden. Oder dass es eine Notrufnummer für Taucher gibt? Das DAN (Divers Alert Network) ist unter der Rufnummer 0431/5409-0 erreichbar, die neue Notfall-Hotline ist laut Internet-Homepage unter 00800-326668783 zu erreichen. Oder dass Schiffspfeifen gesetzlich vorgeschriebene Tonhöhen haben? 70 bis 200 Hertz für Schiffe von mehr als 200 Meter Länge; 130 bis 350 Hertz für Schiffe von 75 bis 200 Meter Länge; 250 bis 700 Hertz für Schiffe unter 75 Meter Länge.

Solche skurrilen Fakten und Geschichten aus der maritimen Welt hat der Reiseautor Lorenz Schröter zusammengetragen. Er nannte sein Büchlein "Das kleine Kielschwein". Ein Kielschwein ist in der Seefahrt nicht etwa ein blinder Passagier mit Ringelschwänzchen, sondern eine Verstärkung des Kiels, die auf den Querträgern des Schiffsbodens angebracht ist. Womit wir bei der nächsten Fundgrube wären. Tierisches an Bord? Bitteschön: Da gibt es Brassen (Taue zum Einstellen der Segel), Kälber (Sicherungs-Holzklötze am Mast von Gaffelseglern) und sogar Rehböcke (Kleidersäcke von Seeleuten).

Lorenz Schröter (47) schien dem Marebuchverlag der geeignete Mann für so eine Sammlung: "Ich habe maritime Wurzeln. Meine Mutter ist in Hamburg geboren, ich war als Kind in den Sommerferien an der Nordsee, ich bin auf einem Containerschiff gefahren, auf einer Dhau in der Straße von Hormuz, und habe drei Jahre auf einer Insel gelebt." Drei Monate lang suchte der Wahl-Berliner im Internet und in Bibliotheken Nützliches und Überflüssiges, prüfte die Fakten nach und stand am Ende angesichts einer überbordenden Sammlung vor der Frage: "Wo höre ich auf?"

Der Vergleich mit "Schotts Sammelsurium", der herrlich abseitigen Faktensammlung für alle Fälle, liegt nahe. Schröter ist es gelungen, mit dem erfolgreichen Vorbild nur eine einzige Doppelung erzeugt zu haben: das Morsealphabet - das ist in einem maritimen Handbuch allerdings auch unverzichtbar.

Wo lag denn nun Atlantis?

Mit dem "kleinen Kielschwein" lassen sich Fragen beantworten, die Sie vielleicht nie zu stellen gewagt haben. Wo etwa lag Atlantis? Seit mehr als 2000 Jahren suchen die Menschen das legendäre, untergegangene Inselreich. Es wurde seit Platon in verschiedensten Teilen der Weltmeere vermutet, unter anderem am Golf von Korinth, auf Madeira, Santorin, bei Gibraltar, im tunesischen Atlasgebirge, unter der Sahara, in der Elbmündung, auf Helgoland, in Amerika, in der Antarktis, in Troja, im Schwarzen Meer, in Irland und in Nigeria.

Was hat das Meer mit unseren Fingernägeln zu tun? Europa und Amerika treiben auseinander. Der Atlantik wird jedes Jahr um 70 Millimeter breiter - also genauso schnell wie Fingernägel wachsen. Weil die pazifische Platte Kaliforniens gegen den Rest des amerikanishen Kontinents drückt, wandert der Pazifik jedes Jahr 60 Millimeter nach Osten. Und weil Afrika gen Europa drängt, schrumpft das Mittelmeer jedes Jahr um sechs Millimeter.

Dass Aale wandern, ist bekannt. Wie weit sind sie dabei wirklich von den Laichgründen in der Sargassosee bis in ihre Binnengewässer unterwegs? Bis zum SanktLorenz-Strom in Kanada sind es 3820 Kilometer, bis zum Shannon in Irland 4965 Kilometer, bis zur Loire 5600 Kilometer und bis zum Vidgan-See in Schweden sogar 8300 Kilometer. Wenn die Aale - nach etwa zehn Jahren - geschlechtsreif sind, schwimmen sie wieder zurück.

Welche Hollywoodstars haben nicht nur am Wasser gedreht, sondern sind auch ertrunken? Natalie Wood ("Denn sie wissen nicht, was sie tun") starb 1981 vor Catalina Island/Kalifornien, John Bowes ("Desire") 1936 vor Malibu/Kalifornien und Maria Montez ("Siren of Atlantis") 1951 in der Badewanne in Paris.

Sind Admirale wirklich hochintelligente Strategen? Nicht jeder Offizier verdient die Streifen, die er trägt. Der britische Vize-Admiral George Tyron gehört in die Kategorie "dümmste Admirale". Er befahl 1893 den unter seinem Kommando stehenden Schiffen HMS "Victoria" und HMS "Camperdown" bei einer Übung vor der libanesischen Küste trotz mehrerer Nachfragen seiner Offiziere ein Wendemanöver - gleichzeitig und einander zugewandt. Die Schiffe waren 1100 Meter voneinander entfernt, jedes hatte aber einen Wendekreis von 730 Meter. Bei der unvermeidlichen Kollision ertranken 358 Mann - darunter der Admiral.

Sonntag ist ein guter Tag, in See zu stechen

Wie würden Fische in einem fiktiven Duell gegen einen Porsche abschneiden? Viele können durchaus mithalten. Ein Barrakuda beschleunigt mit 150 Meter pro Sekunde, dreimal schneller als ein Porsche; ein Atlantischer Tunfisch schafft über weite Strecken 90 Kilometer pro Stunde. Ein Falterfisch dreht sich auf einem Wendekreis von 6,5 Zentimetern (50 Prozent der Körperlänge) - ein Porsche braucht zwölf Meter.

Was fasziniert die Menschen eigentlich an diesen "Listen"-Büchern? Lorenz Schröter glaubt an das Kleinteilige. "Wir leben in einer komplexen Welt, in der wir ständig mit neuen Informationen bombardiert werden. Da sind diese kleinen Geschichten sehr beliebt." Es können auch absurde Dinge sein, ähnlich wie bei Günther Jauchs Fernseh-Erfolg "Wer wird Millionär?". "Manches", sagt Schröter, "ist natürlich völlig überflüssig - aber lustig und unterhaltsam."

Zu guter Letzt: Achten Sie auf überlieferte Seefahrtsregeln, bevor Sie ein Schiff betreten. Frauen an Bord, glaubten Seeleute lange, bringen Unglück. Und wenn sie schon an Bord sind, müssen sie eine Pudelmütze tragen, denn Frauenhaar ist extrem gefährlich. Außerdem ist der Sonntag ein guter Tag, in See zu stechen. Freitag dagegen bringt Mühe und Unglück. Bei Flaute sollte man mit einem alten Nagel am Mast kratzen, dann kommt der Wind - daran haben die Veranstalter zum Auftakt des America's Cup wohl nicht gedacht. Beinahe lebensrettend: Wer sich ein Schwein und einen Hahn auf die Füße tätowiert, geht nicht über Bord. Die beiden Tiere können ja nicht schwimmen..."

Vor einem Jahr war Lorenz Schröter mit Geschichten dieser Art "völlig ausgewrungen", wie er sagt. Jetzt aber steht fest: "Es wird einen Nachfolger geben."

Zum Weiterlesen: Lorenz Schröter: Das kleine Kielschwein - Ein Handbuch allererster Kajüte. Marebuchverlag, Hamburg. 172 Seiten, 12,90 Euro.