Dieser Mann hält, was er verspricht. Mit achtzig werde er wiederkommen, hat er seinen Fans zugerufen. Auf seiner letzten Tournee vor knapp drei...
Dieser Mann hält, was er verspricht. Mit achtzig werde er wiederkommen, hat er seinen Fans zugerufen. Auf seiner letzten Tournee vor knapp drei Jahren. Jetzt ist es so weit. Am 17. April wird er achtzig Jahre alt. Fünf Tage später zieht er wieder los. Quer durch Europa. Gibt 23 Konzerte. Am 26. April in Hamburg, in der Color Line Arena. Dieser Mann, dem vor Jahrzehnten in der Musikhalle jemand aus dem Publikum zurief: Hansi, nuschel doch nicht so. Der längst James heißt. Und immer noch nuschelt. James Last, erfolgreichster Bandleader aller Zeiten. Ach ja, die Tournee 2009 mit bekannten und neuen Melodien heißt natürlich "Mit achtzig Jahren um die Welt."
Sein Nuscheln kann ganz schön nervig sein. Ja, auch für ihn selbst, gibt er lachend zu. Morgens um neun Uhr in einer Suite des Renaissance-Hotels an den Großen Bleichen. Seinen letzten Auftritt in der NDR-Talkshow hat er sich zu Hause angesehen und sich dabei kaputtgeärgert. Er konnte sich selbst nicht verstehen. Das muss man sich mal vorstellen! Verstehst du mich denn, ruft er Ehefrau Christine zu, die gerade leise herein kommt. Mhm, sagt sie.
James Last ist gut drauf. Ein Frühaufsteher, der sich an allem freut. An Wortwitzen "Meine letzte Tour hieß The Last Tour. Nicht the last Last Tour. Keine Abschiedstournee also." Freut sich an Hamburgs Sonne "wie in Florida", dem nahen Beginn der Tournee und am Leben überhaupt. Er könne natürlich auch ganz langsam und deutlich sprechen, sagt er. So: Wir. Bremer. Sprechen. Schnell. Und. Nuscheln. Aber dann müsste er sich ändern. Und das lohne sich nicht. Auf den letzten Metern seines Lebens. Und so wird dieses Gespräch eine Holperpartie. Sobald er in Fahrt kommt. Und das geht sehr schnell. 3000 Seiten habe er ausgedruckt für diese Tournee. Stellen Sie sich das mal vor! Dreitausend, in Worten, Seiten, auf denen jeder "Pups" beschrieben stehe. Für jedes Mitglied seiner Band. Großartige Musiker seien das alle. Die bei jedem Auftritt ihren Spaß hätten. Die Bühne lebe, da sei immer was los. Nur er könne sich zurücknehmen. Müsse nicht rumhampeln. Wie bei diesen Silvesterkonzerten, wo ein Dirigent mit langen Haaren beim Radetzkymarsch herumtobe, als wolle er zum Mond fliegen. Nein, nein, er sei dazu da, damit die Leute ihre Alltagssorgen vergessen, ihren Spaß haben, lachen und erfüllt nach Hause gehen. Ein Übersetzer der Musik sei er. Mehr nicht. Die Aneinanderreihung leichter, beschwingter Stücke sei sein Ding. Die das Publikum zum Mitswingen bringen.
93 Prozent aller Deutschen kennen ihn. James Last, meist ganz in Weiß mit dem für ihn typischen verhaltenen Mitwippen auf einem Bein und dem berühmtem Fingerschnippen. Einen Karajan des kleinen Mannes hat ihn der Journalist Friedrich Nowottny einmal genannt. Dabei spielt James Last in einer anderen Liga. Auch wenn seine erste selbst gekaufte Platte Bela Bartóks Violinkonzert war und seine Eltern ihn gern im Opernorchester gesehen hätten. Er macht Unterhaltungsmusik. Und das perfekt. Spielte mit seiner Band als erste Popgruppe, wie er es nennt, im Opernhaus von Sidney, war 85-mal in der ehrwürdigen Londoner Royal Albert Hall zu Gast. Er erfand in den Siebzigern die Medleys. Eine nahtlose Aneinanderreihung gängiger Melodien für "eine nicht enden wollende Party. Nonstopdancing." Er komponierte Filmmusik, schrieb Songs für Elvis Presley, Cliff Richard, Ray Charles, Andy Williams, Tom Jones. Wurde zur Kultfigur eines generationsübergreifenden Publikums nach Einspielungen mit Herbert Grönemeyer und der Hamburger Band "Fettes Brot".
James Last hat "irgendwas um die 100 Millionen" Platten verkauft, 17 Platin- Schallplatten bekommen und über 200 Goldene. Die längst nicht mehr aus reinem Gold sind, wie seine ersten, die er in einem Banksafe lagert. Natürlich fragt man sich, was diesen Mann immer noch auf die Bühne treibt. Der Millionenkredit ist längst abbezahlt, den er Mitte der Achtziger aufnehmen musste, weil er durch Fehlinvestitionen und Steuerschulden arg in die Klemme geraten war. Spaß, sagt er. Spaß, Spaß und noch mal Spaß! Das sei es. Auf die Bühne gehen, Musik fühlen und Applaus. Was könne es Schöneres geben! Da höre man nicht auf. Nicht wenn man nur Musiker sei, wie er.
Und dieser Spruch von ihm? Dieses... Ach, unterbricht er, den kann ich Ihnen schon so sagen: Andere gehen zur Kur, ich geh auf Tour. Was, sagt er, den nicht!? Nein, den anderen von ihm: Wer ständig über seine Möglichkeiten und Fähigkeiten hinaus lebt, dem wird das Herz brechen. Ja, sagt er. Auch gut. Und stimmt. Wenn man seine Fähigkeiten, seine Kreise kenne, sie ausschöpfe, könne man sein Leben lang gut sein. Aber immer dieses drüber weg wollen, mehr wollen und anderes, daran zerbreche man.
Er hat sich dran gehalten. Nie seine Grenzen überschritten, sich nie verbogen. Das sei der Weg zum Glücklichsein, sagt er. Und rundherum glücklich sei er. In Florida, in Poppenbüttel. Selbst in der Lüneburger Heide, wenn er sich mit einer Ameise unterhalte. Man müsse das Glück nur aufheben können.
Dass das Glück auch eine Hure sei, nee, diesen Spruch habe er noch nie gehört. Wo bist du, ruft er in den Raum. Christine? Hast du das schon mal gehört? Von Shakespeare soll das sein! Seine Ehefrau lächelt und schweigt. Und so einigen wir uns drauf, dass Glück vielleicht auch trügerisch sein könne. Aber nicht für ihn, sagt er. Damals, als seine erste Frau an Krebs starb, ja, da habe es einen Sprung bekommen. Und auch als er selbst Anfang der Neunzigerjahre an Hautkrebs erkrankte. Aber jetzt sei Christine aus München Teil seines Lebens. Und das Glück wieder ganz. Eine tolle Frau, sagt er. Die ihn ertrage, nicht immer einfach bei seinem Beruf. Bei allen Konzerten sei sie dabei. Er wisse nicht einmal auf welchem Platz im Publikum. Hab ich recht, sagt er. Doch Christine Last hat sich wieder leise davongemacht. Also erzählt er vom gemeinsamen Golfspielen, beide mit einem Handicap um 18. "Aber sie ist besser." Dass er sie morgens mit einem Lächeln weckt, denn sie sei ein Morgenmuffel. Vom Müsli ist die Rede, von frisch gepressten Orangen und geriebenem Apfel. Alles von ihm zubereitet. Ein Monolog. In Medleyform.
Er erzählt von dem Penthouse in Poppenbüttel, das sie vor zwei Jahren gefunden haben. Liebe auf den ersten Blick. Hoch über den Baumkronen. Nur ein paar Wände und Decken mussten raus. Vom Golf- und Countryclub im Alstertal, den beide nutzen. Und dass sie ihren Pool in Florida auch im Winter nicht heizen und bei 18 Grad jeden Morgen ihre Runden drehen. "Zum Aufwärmen gehe ich auf die Bühne."
Einen "Maestro for Sex, Drugs, and Rock 'n' Roll light" hat man ihn in einer amerikanischen Zeitschrift mal genannt. Das begeistert ihn. Musik sei seine Droge, sagt er. Rock 'n' Roll das war einmal. Trinken tue er gern. Nachts nach den Konzerten mit seiner Band an der Hotelbar. Zum gemeinsamen Abhängen. Aber alles light - in Maßen eben. Und Sex? Das gehöre ja wohl zum Leben dazu. Oder bei Ihnen nicht, sagt er. Doch, aber ich stehe ja nicht auf der Bühne im Rampenlicht. Meine Liebe, sagt er. Ich mache das doch auch nicht auf der Bühne.
Er ist schon ein Charmeur, dieser James Last. Mit seinen vor Vergnügen blitzenden Augen. Grundausstattung für die Bühne nennt er sie: Glänzende Augen. Und Lackschuhe. Dann erzählt von diesem Anzug, den er schon vor zwanzig Jahren getragen hat, der immer noch passt, den er vielleicht auch dieses Jahr tragen wird und darin aussieht wie Thomas Gottschalk. Mit seinen langen Jacken. Fast natürlich nur, sagt er lachend.
Über seine Anfänge reden wir noch. Die glückliche Kindheit für den jüngsten der drei Söhne eines Bremer Gasablesers und Hobbymusikers. Der Bass spielt und Klavierunterricht bei einer "zickigen Lehrerin" hat, die ihn für völlig untalentiert hält, es auch sagt und ihn damit tief trifft. Dem anderen Lehrer, der ihm mit der Kaffeetasse in der Hand nur zuhört und sofort weiß und es auch sagt, du machst es. "Wie Sonnenaufgang für mich." Der Jüngste ist er auch auf der Musikschule, in der Heeresmusikschule in Bückeburg, beim Tanz- und Unterhaltungsorchester von Radio Bremen und später beim NWDR. Kurz gefasst sagt er, war es so: Vor achtzig Jahren wurde ich geboren, meine Mutter sagte, du sollst leben. Und das habe ich versucht. Jetzt nähere er sich dem Ende. Dem Grab in Ohlsdorf neben seinem Vater und den Brüdern. Irgendwann. Nur nicht so bald. Er fühle sich einfach noch jung.
Dann gehen wir zum Flügel in der Suite. Er könne nicht singen, sagt er. Und Sie nicht Klavier spielen? Nein. Dann wird's nichts mit uns, sagt er. Aber ich zeig Ihnen mal das C. So. Pling. Er schwingt sein Bein vor Lachen, zeigt viel nackte Haut und sehr kurze Tennissocken. Ja, sagt er, ertappt. Jetzt wissen Sie alles von mir.
So ist er, dieser Mann, mit dem Brilli als Ehering im Ohr, dessen Christine die anderen drei Steine am Finger trägt und der in den USA sehr zu ihrem Entsetzen manchmal Jamesie genannt wird und doch immer der Hansi aus Bremen geblieben ist. Ganz einfach nett, sehr normal und total vernuschelt.
Hans Last wurde am 17. April 1929 in Bremen-Sebaldsbrück geboren. Mit seinen Brüdern spielt er im Tanz- und Unterhaltungsorchester von Radio Bremen. 1956 arrangiert er für Freddy, Caterina Valente und Helmut Zacharias, wird in "James" umbenannt. Er wird zum erfolgreichsten Bandleader aller Zeiten. James Last hat zwei erwachsene Kinder und lebt nach dem Tod seiner Frau Waltraud mit seiner zweiten Frau Christine in Florida und in Poppenbüttel.
Konzert in Hamburg: 26. April, 19 Uhr, in der Color Line Arena. Karten 33-73,35 Euro beim Abendblatt unter Tel. 30 30 98 98.