Ihre Art Humor spaltet das Land: Für manche ist GABY KÖSTER Kult, andere finden sie unerträglich. Im Fernsehen tritt sie jetzt kürzer, dafür geht sie auf die Bühne - im November auch in Hamburg.
So ist das Leben eben. Es schneidet Kerben ins Gesicht, brennt Narben in die Seele. Ist zum Heulen und Lachen. Und läßt sich glücklicherweise mit hammerharten Sprüchen und Slapsticktalent in ein handliches Format bringen. So sieht es Gaby Köster. Deutschlands vielfach preisgekrönte Ulknudel aus Köln-Nippes. Jetzt geht sie mit diesem Leben wieder auf Tournee. Zum ersten Mal seit fünf Jahren. Ihr Solo-Programm heißt "Gaby Köster live". Eine geballte Mischung aus allem, was einem so unter die Füße kommt im normalen Leben - einschließlich der von ihr so gepflegten Klischees aus der Schmuddelecke. Wie Männer und Hygiene zum Beispiel. "Wie diese Geschichte mit den Männer-Unterhosen." O nein, Gaby. Das muß nicht sein.
Sie hat das neue Programm schon mal getestet. Zwischen Coesfeld und Gelsenkirchen. Vor ausverkauften Sälen. "Und", sagt sie hoffnungsfroh, "wenn die Menschen in Ost-Westfalen vor Begeisterung kreischen, dann kann das im Rest der Republik nicht anders sein."
Dabei spaltet allein ihr Name die Republik schon in zwei Lager. Für ihre Fangemeinde ist Gaby Köster der Garant für die perfekteste Form der Alltagsbewältigung überhaupt. Sie läßt die miesesten Situationen zwischen Supermarktkasse, Büro und Schulhof auf ein heiter-erträgliches Maß schrumpfen. Entlarvt mit rotzfrechen Sprüchen aufgeplustertes Machtgehabe von Chefs, Politikern, Sachbearbeitern. Für andere ist Gaby Köster schlicht ein Brechmittel. Mit ihrem nervtötenden Gelächter irgendwo zwischen schrillem Gekreische diebischer Elstern und Ziegengemecker. Und prolligen Witzen weit unter Kneipenniveau.
Im Gespräch ist Gaby Köster ein sympathisch bodenständiges Kontrastprogramm. Mit Brilli in der Nase und Glasperlen am Handgelenk. Mit wirr hochgezwirbelten Haaren und schmalen, gepflegten Händen. Von anrührender Seelenentblößung und großer Verschwiegenheit, wenn es um den elfjährigen Sohn Donald und ihre seit Jahren schon getrennte Ehe von dem Regisseur Thomas Köller geht. Sie arbeiten zusammen, auch an ihrem neuen Programm, und kümmern sich gemeinsam um den Sohn. "Nur mit dem Zusammenleben klappt es nicht."
Gaby Köster ist eine Kultfigur, aber keine Kunstfigur. Sie kennt aus eigener Erfahrung all das, worüber sie auf der Bühne und im Fernsehen lärmt und lästert. Ihre vielfach preisgekrönte Comedy-Serie "Ritas Welt" aus dem Leben einer Supermarktkassiererin hat sie hautnah durchlebt. In den kargen Zeiten, als sie nicht immer wußte, wo das Geld für die Miete herkommen sollte. Und auch für ihr erstes Solo-Programm "Die dümmste Praline der Welt" konnte sie aus dem Fundus als Kellnerin, Babysitterin und Baßgitarristin reichlich schöpfen.
Mit Rita ist jetzt nach dreiundsiebzig Folgen Schluß. Auch die Praline will sie nicht wieder aufwärmen. Abgehakt und genug. "Noch mal fünf Jahre, dat wär' ja Quatsch, nää." Dies gebremste Kölsch, erklärt sie lachend, sei schon extra für Hamburg die hochdeutsche Version. In der Comedy-Sendung "7 Tage 7 Köpfe" ist sie seit 1996 der einzige weibliche Dauergast. Warum das so ist? "Wahrscheinlich gehen die wenigen komischen Frauen, die wir haben, in die Politik", sagt sie flapsig.
Diese Art von Rätselraten überläßt sie lieber anderen. Der "Tagesspiegel" hat es versucht, als Anke Engelke als Nachfolgerin von Harald Schmidt inthronisiert wurde: "Subtiles, Intelligentes, Hintergründiges findet man bei Deutschlands Comedy- Frauen nur sehr selten." Und die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hat das Thema abgeschlossen, als sie entthronisiert wurde. "Männer mögen sich von Frauen nicht die Welt erklären lassen." Hugo Egon Balder, Produzent von "RTL Samstag Nacht", mit der auch Gaby Köster Mitte der 90er bundesweit bekannt wurde, sah es auch geschlechtsspezifisch: "Es muß so ein Humoristen-Gen geben. Das kommt bei Männern offenbar häufiger vor als bei Frauen."
Gaby Köster zumindest hat es. Sie produzierte sich schon als Kind als Stimmenimitatorin und Situationskomikerin. Ihr Vater, ein Jazzmusiker, hätte ihr gern ein weniger unstetes Leben als sein eigenes gewünscht. Aber er hatte schon den Verdacht, "daß ich das mach', was ich will". Die Mutter akzeptierte den genetischen Stempel. Einmal nur, kurz nach dem Tod des Vaters, hat sie die siebzehnjährige Gaby gedrängt, eine bürgerliche Karriere anzustreben. Beim Zollamt in Köln. Das Vorstellungsgespräch verlief zufriedenstellend. ",Ich zeig' Ihnen mal Ihren Arbeitsplatz', sagt der Typ. Macht die Tür auf. Vier Schreibtische. Eng aneinander wie in einer Legebatterie. Drei Köppe gucken hoch. Total verschreckt. Die hatten seit dreißig Jahren keinen Menschen mehr gesehen." Gaby Köster lief schreiend davon. Über einen endlos langen, gekachelten Flur. "Der Typ rief hinter mir her: ,Frau Köster, es fehlt nur noch die ärztliche Untersuchung.'" Sie bricht bei der Erinnerung daran vor Lachen fast zusammen. Und dann ernst. "Ich bewundere Leute, die so was können. Ich kann dat nich, nä!"
Vieles andere hat sie trotzdem gekonnt. Sich durchs Leben geschlagen mit Gelegenheitsjobs. Immer von der Hand in den Mund lebend. Und dem sicheren Gefühl, daß irgendwann schon das Richtige kommt. Es kam, als sie in einer Kneipe in der Südstadt kellnerte. Ausgerechnet von einem Typ, den sie für einen Freigänger aus der psychiatrischen Klinik nebenan hielt. "Er kritzelte vor sich hin und kicherte dabei." Dann wird die Geschichte zu einer typischen Gaby-Köster-ad-hoc-Show. Viel schöner als alles, was oft im Fernsehen stoisch abgespult erscheint: Die Kneipe sollte geschlossen werden, weil die Musik nachts zu laut war. Die Gäste wurden mit Hörspielen, den Reden von Lübke und den Brunftgesängen der Buckelwale bei Laune und am Tresen gehalten. Das Fernsehen kam. Gaby Köster nahm das Mikrofon in die Hand. Gab ein Interview zur Kneipenlage. Der schräge Typ in der Ecke wurde aufmerksam. Entpuppte sich als WDR-Moderator Jürgen Becker. Von da an schrieb sie Sketche, die schon ein Jahr später in der Radiosendung "Unterhaltung am Wochenende" groß rauskamen. Der Rest ist die bekannte Erfolgsstory dieses Kölner Urgesteins.
Einmal nur vor fünf Jahren schien alles aus zu sein. Sie kam mit einer Gesichtslähmung ins Krankenhaus. Ihr Betriebskapital, die "Artikulation im Eimer, nicht mal mehr tauglich fürs Radio". Nach dem ersten Schrecken war für Gaby Köster klar: "Du kannst keine Jahre damit verbringen, zu klagen und zu jammern. Es ist das beste, es möglich schnell anzunehmen und gucken, wie man damit weiterlebt." Sie hatte Glück. Nach vier Wochen war alles wieder im Lot. Gaby Köster erzählt sehr leise. Auch von der Szene am Krankenbett mit Sohn Donald. "Er mochte mich nicht küssen, aus Angst da könnte noch mehr kaputt gehen. Aber dann sagt der kleine Kerl: ,Wenn das so bleibt, ich hab' dich trotzdem lieb.' Da hab' ich nur noch losgeheult."
Damit nicht zuviel Rührung aufkommt, schießt sie gleich ihre Abkehr von der katholischen Erziehung hinterher. "Da find' ich mich nicht wieder", sagt sie. "Schon als Kind konnte ich nicht zur Beichte gehen, 'nem Wildfremden in der Dose erzählen, was ich angestellt habe. Niemals. Ich durfte doch gar nicht mit fremden Männern reden!"
So ist das Leben der Gaby Köster. Ein Wechselbad zwischen tiefem Ernst und derber Komik. Voll von mütterlicher Sorge um den gerade ins Gymnasium gekommenen Sohn und mächtigen Flüchen beim Autofahren. Durchgequalmte Nächte und zwei zerstörte Laptops bei der Programmplanung gehören dazu. Und grauenhaftes Lampenfieber vor jedem Auftritt, bis endlich das Publikum johlt. Ein vielleicht nicht ganz normales Leben. Aber eine bewundernswert solide Grundaustattung.
- 15.+16. 11., jeweils 20 Uhr: "Gaby Köster live" in den Fliegenden Bauten. Karten (19,60-33,90 Euro) unter Tel. 47 11 06 33.