Berlin. Gyllenhaals Karriere hätte ganz anders aussehen können. Was er mal werden wollte und was ihm beim Entspannen hilft, verrät er im Interview.
Dank Filmen wie „The Day After Tomorrow“ oder „Spiderman: Far from Home“ ist Jake Gyllenhaal einer der bekanntesten Stars Hollywoods. Nun hat der 43-Jährige auch die Welt des Streamings für sich entdeckt und spielt in dem mehrteiligen Justizthriller „Aus Mangel an Beweisen“ (auf Apple TV+) mit. Dabei verfolgt er, wie er sagt, vor allem therapeutische Ziele. Seine Kurzsichtigkeit macht ihm zwar zu schaffen, aber gleichzeitig hat er für sich das optimale Entspannungsmittel entdeckt.
Vor kurzem machte die Nachricht Schlagzeilen, dass Sie fast blind sind. Aber der Dreh zu Ihrer Serie „Aus Mangel an Beweisen“ war davon nicht beeinträchtigt?
Jake Gyllenhaal: Nein, das hatte keinerlei Auswirkungen. Aber ich habe meine Seheinschränkung auch nicht nutzen können, wie das in anderen Rollen der Fall war.
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Womöglich unschuldig in die Mühlen der Justiz zu geraten wie Ihre Figur, dürfte ein Alptraum für Sie sein ...
Gyllenhaal: Natürlich – wie für jeden von uns. Deshalb ist diese Serie ja so sehenswert, und aus dem Grund wollte ich sie auch machen.
Jake Gyllenhaal: „Filme haben für mich etwas Therapeutisches“
Aber das zu spielen, ist wohl recht nervenaufreibend. Wie kamen Sie mit dieser Anspannung klar?
Gyllenhaal: Ich liebe es zu kochen. Das ist das beste Mittel gegen Stress. Ganz besonders während des Drehs zu der Serie habe ich sehr viel gebacken. Es gab all diese unglaublich anstrengenden Szenen, aber ich habe mich dann immer mit dem Gedanken beruhigt: Am Ende des Tages werde ich nach Hause fahren und Heidelbeer-Muffins machen.
Aber Sie spielen ja immer wieder so heftige Rollen. Was ist der Grund dafür?
Gyllenhaal: Filme haben für mich etwas Therapeutisches. Sie stellen eine Reaktion auf bestimmte Dinge dar, die sich zu der jeweiligen Zeit in meinem Leben abspielen. Ich frage mich ständig: Wer bin ich? Und so wähle ich Projekte aus, die zu meinem Selbst passen. Mich bewegt es zum Beispiel, wenn sich jemand in absoluten Extremsituationen selbst finden muss.
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Und Sie tun das in Ihrem Job?
Gyllenhaal: Genau. Die Schauspielerei hilft mir, für andere Personen Mitgefühl zu entwickeln. So kann ich meinen Platz im Gefüge der ganzen Menschheit finden – und dadurch auch Demut lernen. Ich weiß, das klingt jetzt ein bisschen hochgeschwollen, aber, glauben Sie mir, das ist für mich das Beste an meinem Job.
Das ist Gyllenhaal bei seinen Drehs besonders wichtig
Gab es Zeiten, wo Sie weniger mitfühlend waren?
Gyllenhaal: In jungen Jahren fühlte ich mich unverstanden und glaubte, dass die anderen nicht ehrlich zu mir waren. Das war so eine Periode, die ich durchmachte; ich habe mich vielleicht zu sehr mit dem Helden aus „Der Fänger im Roggen“ identifiziert. Aber das ist vorbei. Ich habe begriffen, dass man Verständnis für andere haben muss.
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Wie sehr brauchen Sie für diese Erfahrungen noch die großen Hollywoodfilme? In den letzten Jahren sehen wir Sie eher in Streamingprojekten oder unabhängigen Produktionen.
Gyllenhaal: Für mich ist das Medium als solches unwichtig. Ich finde faszinierendes Material in allen Kanälen. Am Streaming mag ich, dass mehr Leute meine Projekte gleichzeitig sehen. Vor kurzem kam ein Film mit mir im Streaming heraus, der fantastische Reaktionen hatte. Aber aus meiner Sicht, ist es gleichgültig, wie viel Geld du hast. Denn eigentlich brauchst du nicht viel Aufwand, um einen guten Film zu machen.
Ein Studio ist vor allem dann wichtig, damit der Film mit großem Werbeaufwand in die Kinos kommt und von möglichst vielen Leuten gesehen wird. Genau aus dem Grund gebe ich jetzt ja auch Interviews. Aber beim Dreh geht es mir vor allem um eines: um ein Gefühl der Gemeinschaft. Du willst nicht einfach Geld verdienen, sondern mit deinen Kollegen wie in einer Familie zusammenleben. Deshalb würde ich auch nicht Bergsteigen wollen, denn das ist etwas, was du in Einsamkeit machst.
Und der Regisseur ist Ihr Papa?
Gyllenhaal: Ich brauche keinen Regisseur als Vaterersatz. Was ich für einen Film lernen kann, das mache ich selbst. Meine Rolle ist es, einen Job zu machen und die Vision eines Filmemachers zu verwirklichen. Aber ich möchte ihm vertrauen können, denn wenn ich das tue, dann finde ich noch leichter Zugang zu bestimmten Gefühlen. Aber letztlich kann nichts meine echte Familie ersetzen. Sie verleiht meinem Leben Stabilität.
Gyllenhaal über seine Kindheit: „Natürlich konnte ich nicht alles machen“
Da Ihre Eltern ja selbst als Regisseure beziehungsweise Autoren in der Branche arbeiten, standen Sie schon als Kind vor der Kamera. Haben Sie dadurch etwas verpasst, was Sie heute vermissen?
Gyllenhaal: Ich habe seinerzeit nur hier und da ein paar Rollen gespielt. Da hatte ich nie das Gefühl, dass mir was weggenommen würde. Ich hatte immer Freunde, ging normal auf die Highschool. Natürlich konnte ich nicht alles machen. Aber das gilt ja für jedes Kind. Wenn ein Junge Raketenwissenschaftler werden will, dann verbringt er ja auch nicht zu viel Zeit draußen. Damals war die Schauspielerei gar nicht mal mein Ziel. Ich dachte, ich würde Schuster werden.
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Gibt es etwas, was einen Schuster mit einem Schauspieler verbindet?
Gyllenhaal: Letztlich ist jeder ein Künstler. Vorausgesetzt, er ist auf der Suche nach Erfahrung. Denn das bedeutet: Er ist lebendig.