Berlin. Es treiben wieder tote Fische in der Oder. Ein Auslöser ist wahrscheinlich wie auch 2022 die Goldalge. Was sie so gefährlich macht.

Sie ist wieder da: Zwei Jahre nach dem massiven Fischsterben in der Oder verbreitet sich die Goldalge erneut. Im Sommer 2022 war die Alge dort bereits mitverantwortlich für eine Umweltkatastrophe. Tausende Fische wurden vergiftet und starben. Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) schätzte das Gewicht der verendeten Fische auf bis zu 1000 Tonnen.

Nun ist die Algenkonzentration in der Oder wieder beunruhigend hoch, wie es vom Brandenburger Umweltministerium in einer Pressemitteilung heißt. Bislang seien Berichten zufolge bereits vereinzelt tote Fische gemeldet worden. Droht eine ähnliche Katastrophe wie vor zwei Jahren? Immerhin verbirgt sich hinter der Goldalge eine echte Killer-Pflanze.

Goldalge: Unsichtbar und giftig

Trotz des lieblich klingenden Namens kann die Goldalge (auch: Prymnesium parvum) zu einem gefährlichen Wasserbewohner werden. Mit dem bloßen Auge ist der Plagegeist nicht zu erkennen – erst unter dem Mikroskop in rund 1000-facher Vergrößerung wird die Pflanze sichtbar. Sie zeichnet sich durch ihre goldbraune Farbe aus, die durch Pigmente wie Chlorophyll und Fucoxanthin verursacht wird. Die Algenart, die im Juli und August 2022 in der Oder in riesigen Schwärmen das Ökosystem attackierte, wird auch als Brackwasseralge bezeichnet.

Goldalgen sind einzellig. Heißt, sie bestehen nur aus einer einzigen Zelle. So erscheinen die Tausendstel Millimeter großen Wesen wie kleine Kügelchen, können aber auch gemeinsam Kolonien bilden. Die Algen bewegen sich mithilfe von zwei sogenannten Geißeln fort, die man auch von Bakterien oder Spermien kennt.

Auch spannend: Forscher beobachten mysteriöses Massensterben von Seeigeln

Die Algen kommen sowohl im Süß- als auch im Salzwasser vor und sind weltweit verbreitet. Besonders wohl fühlt sich der Einzeller in stehenden und langsam fließenden Gewässern oder in Küstenregionen, insbesondere in gemäßigten bis tropischen Temperaturen.

2024 wächst die Sorge um die Verbreitung der Brackwasseralge in der Oder abermals.
2024 wächst die Sorge um die Verbreitung der Brackwasseralge in der Oder abermals. © DPA Images | Patrick Pleul

Wie andere Pflanzen auch betreiben Goldalgen Photosynthese und nutzen somit Sonnenlicht, um Energie zu produzieren. Doch das ist nicht die einzige Quelle der Alge: Die ‚Prymnesium parvum‘ frisst zusätzlich auch andere Organismen. Zur bevorzugten Beute der Alge zählen winzige Einzeller, die mit eigens zu diesem Zwecke produzierten Zellgiften betäubt werden.

Goldalge kann sich rasant vermehren

Einzelne Goldalgen stellen für Gewässer und ihre Bewohner keine Gefahr dar, da sie dafür schlicht zu winzig sind. Doch die Mikroalgen können sich unter günstigen Bedingungen sehr schnell vermehren und dann mit ihrem Gift tödlich werden – auch für große Lebewesen wie Fische, Muscheln und Schnecken. Das Toxin zerstört Kiemen und zersetzt innere Organe.

Die Killer-Alge „paddelt“ liebend gerne durch salzhaltige Umgebungen. Außerdem braucht sie viel Licht, warmes Wasser und genug Stickstoff- und Phosphorgehalt im Wasser, um sich zu ernähren. Damit sie sich vermehren kann, braucht es eine optimale Umgebung über mehre Wochen. In frei fließenden Gewässern ist die Schwarm-Bildung nahezu unmöglich.

Trifft die Alge allerdings auf für sie oprimale Lebensbedingungen, kann sich ihr Bestand innerhalb weniger Tage verdoppeln. Experten sind sich sicher, dass die Ursache für die Umweltkatastrophe in der Oder mit einem hohen Salzgehalt im Gewässer zusammenhing, der durch die Einleitung von Industrieabwässern entstanden sein könnte. Woher die Einleitungen kamen, ist bislang noch nicht ausreichend geklärt.

2022 gab es zudem infolge des Klimawandels einen Dürresommer – die höheren Temperaturen und die niedrigen Wasserstände taten wohl ihr Übriges, die Goldalge konnte viele Blüten bilden.

Die Goldalge bedroht das Ökosystem des deutsch-polnischen Grenzflusses Oder: Ein toter Fisch und eine tote Muschel treiben an der Wasseroberfläche im Winterhafen, einem Nebenarm der Oder.
Die Goldalge bedroht das Ökosystem des deutsch-polnischen Grenzflusses Oder: Ein toter Fisch und eine tote Muschel treiben an der Wasseroberfläche im Winterhafen, einem Nebenarm der Oder. © DPA Images | Patrick Pleul

Wie die Goldalge letztendlich in die Oder kam, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Vielleicht klebte sie an einem Wasservogel, Gummistiefeln, einer Angel oder einem Schiff. Weil die Alge so klimperklein ist, kann sie sich sogar über die Luft verbreiten.

Goldalge in der Oder – droht wieder eine Katastrophe?

Seit 2022 ist die Goldalge also eine Art tickende Zeitbombe im deutsch-polnischen Grenzfluss. Die Brackwasseralge hat sich in der Oder und einigen Nebengewässern verteilt. Das tückische: Ist sie einmal heimisch geworden, räumt sie nur ungern wieder das Feld. Sie kann auch lange ohne Nahrung unter nicht perfekten Bedingungen auskommen, bis sich die Umstände wieder ändern und sie sich blitzschnell vermehrt.

Weiteres Problem: Die Goldalge tötete 2022 ihre eigentlichen Feinde wie Schnecken und Muscheln, die sich unter anderem von Algen ernähren. Doch innerhalb der zwei Jahre konnte sich das Ökosystem noch nicht richtig erholen, die „Filtrierer“ fehlen vielfach. Heißt: Findet die Alge gute Bedingungen vor, könnte sie sich dieses Jahr ungestört verbreiten.

Lesen Sie auch: Experten schockiert über bisher „schlimmste“ Korallenbleiche

Die Brandenburger Behörden so wie überwachen das Oder-Wasser ständig. Aktuell herrscht Warnstufe drei, die höchste Stufe. Das bedeutet: Es muss von einer Algenblüte durch Prymnesium parvum ausgegangen werden. Es wurde eine sehr hohe Toxizität und ein sehr hoher Salzgehalt gemessen. Immerhin: Für Menschen ist die Mikroalge übrigens nach aktuellem Erkenntnisstand nicht gefährlich. Dennoch waren im Sommer 2022 Aktivitäten in und um die Oder verboten.