Berlin. Experten rechnen mit mehr Corona-Infektionen bei der Fußball-Europameisterschaft. Grund dafür sei auch ein spezielles Verhalten der Fans.
Am Freitag (14.) beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. An den zehn EM-Spielorten werden rund 2,7 Millionen Besucherinnen und Besucher in den Stadien erwartet sowie Millionen auf den Fanmeilen oder auch bei privaten Feiern. Experten vom Centrum für Reisemedizin (CRM) warnen: Bei Massenveranstaltungen bestehe immer ein Risiko für eine Infektion mit Erkrankungen, die per Tröpfchen übertragen werden. Dies gelte weiterhin auch für Covid-19.
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) ist der Trend bei den Corona-Neuinfektionen in Deutschland ungebrochen. Seit etwa fünf Wochen steigen die Zahlen auf niedrigem Niveau. Die anhand von Meldungen direkt aus der Bevölkerung berechnete Sieben-Tage-Inzidenz liegt laut RKI aktuell bei etwa 300 pro 100.000 Einwohner. In der 20. Kalenderwoche (bis 20. Mai) lag sie noch bei 200 pro 100.000.
Einen Grund für die steigenden Zahlen vermuten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der sich weiter ausbreitenden Virusvariante KP.2. Diese soll einer Studie aus Japan zufolge nicht nur einen Fitness-Vorteil haben, sondern auch das Immunsystem besser umgehen können. Das heißt, dass sich bereits infizierte oder geimpfte Menschen leichter mit ihr infizieren können.
Corona und EM: Hohe Infektiosität bei diesem Verhalten
„Covid-19 hat weltweit die endemische Phase erreicht. Das bedeutet, dass das Virus weiterhin in der Bevölkerung zirkuliert“, sagt Infektiologe Professor Tomas Jelinek, wissenschaftlicher Leiter des CRM. Wie genau sich die Fußball-Feierlichkeiten auf die Inzidenz in Deutschland auswirken werde, sei schwer vorherzusagen, „aber die Infektionszahlen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas ansteigen“, so Jelinek weiter.
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Zumal eine Besonderheit das Ansteckungsrisiko bei einer EM erhöhe: „Die Infektiosität ist unter anderem besonders hoch bei singenden oder schreienden Personen, die sich mit Corona, auch asymptomatisch, infiziert haben“, sagt Jelinek. Singende und schreiende Menschen wird es in den Wochen vom 14. Juni bis zum 14. Juli in Deutschland viele geben, und mitunter stehen oder sitzen sie dicht gedrängt.
Von einer besonderen Gefahrenlage für weite Teile von Fans und Bevölkerung oder gar von einer extremen EM-Welle geht der Experte aber trotzdem nicht aus: „In Deutschland haben die hohe Immunität durch Impfungen und frühere Infektionen dazu beigetragen, dass inzwischen deutlich weniger schwere Krankheitsverläufe auftreten als noch in den Jahren 2020 und 2021“, so Jelinek. Da die Corona-Variante KP.2 von Omikron abstamme, seien geimpfte oder ehemals infizierte Menschen recht gut geschützt, nicht unbedingt vor einer Infektion, aber vor schweren Verläufen.
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Fußball-EM: Turnier im Jahr 2021 führte zu Zehntausenden Corona-Infektionen
Gefährdet seien Tomas Jelinek zufolge aber weiterhin ältere Personen sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, insbesondere des Immunsystems, der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems. „Wer zu diesen vulnerablen Gruppen gehört, für den empfiehlt sich das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auch in den Stadien und auf den Fanmeilen“, rät der Experte.
Dass sich Großereignisse wie eine Fußball-EM generell auf das Corona-Infektionsgeschehen auswirken kann, hat eine Studie aus dem Januar 2023 gezeigt. An ihr waren unter anderem zwei Max-Planck-Institute und die Universtäten Bonn und Göttingen beteiligt. Den Angaben zufolge kam es bei der Fußball-EM 2021, die allerdings in gleich mehreren europäischen Ländern stattfand, zu geschätzt etwa 840.000 zusätzlichen Corona-Infektionen. Und das weniger in den Stadien als vielmehr bei privaten Treffen, etwa in Kneipen und Wohnungen, wo Menschen die Spiele gemeinsam anschauten.
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