Berlin. Die Bilder des zerstörten Austrian-Airlines-Fliegers gingen um die Welt. Wie gefährlich ist es, ohne Sicht zu fliegen? Ein Pilot klärt auf.
Ein Flugzeug fliegt mit einer völlig zerborstenen Frontscheibe, die Nase des Flugzeugs ist abgerissen. Was klingt, wie die Szene aus einem Actionfilm, ist am vergangenen Sonntag auf einem Flug der Austrian Airlines von Mallorca nach Wien wirklich passiert. Das Flugzeug war in einen heftigen Hagelschauer geraten. Die gute Nachricht: Das Flugzeug ist sicher gelandet. Niemand kam zu Schaden. Doch – wie ist das für einen Piloten, blind zu fliegen, wie häufig kommt es im Flugalltag zu solchen Situationen und wie können Piloten Unwetterlagen vorhersehen? Wir haben mit einem Piloten gesprochen.
Austrian Airlines: Pilot erklärt, wie heikel die Situation wirklich war
Zunächst zurück zu Flug OS434. Es ist Sonntagnachmittag. Der Airbus A320 startet planmäßig gegen 15.30 Uhr in Palma de Mallorca, um nach Wien zu fliegen. Etwa eine Stunde vor der Landung gerät das Flugzeug in einen Hagelschauer. Die Vorstellung, dass ein Pilot, der die Verantwortung über seine Passagiere hat, blind fliegen muss, löst sicher bei den meisten Unbehagen aus. Insbesondere bei denen, die unter Flugangst leiden. Immerhin etwa jeder vierte Deutsche, wie eine Umfrage von Statista aus dem Jahr 2022 ergab.
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Doch, ist diese Angst begründet? Wie heikel war die Situation auf Flug OS434? Frank Blanken, Pilot bei der Airline Condor und Mitglied bei der Vereinigung Cockpit e.V., klingt im Gespräch eher gelassen. „Erst einmal möchte ich nicht von einem Blindflug sprechen. Dieses Wort wird in Fachkreisen nicht benutzt. Es hat eine negative Konnotation, da man den Eindruck bekommt, dass der Pilot nicht weiß, was er tut, wenn er keine Außensicht mehr hat.“
Unwetter in Sicht? So gehen Piloten damit um
Dem sei mitnichten so, sagt Blanken, denn: Dass ein Pilot durch die Scheibe nichts sieht, komme regelmäßig vor. Etwa bei starkem Nebel oder beim Flug durch die Wolken. Das sei auch gar nicht schlimm, da in der professionellen Verkehrsluftfahrt grundsätzlich nach Instrumenten geflogen werde. Wie beim Fahren in einem Auto darf man sich das also nicht vorstellen. Lediglich bei Start und Landung existieren Mindestanforderungen an die Sichtweiten.
Im Cockpit befindet sich unter anderem ein Wetterradar, auf dem der Pilot Wetterlagen im Blick hat und Gewitterzellen erkennen kann. Sieht der Pilot eine solche Zelle, entscheidet er mit der Cockpitcrew in Eigenverantwortung, was zu tun ist. Können wir da durchfliegen oder fliegen wir lieber drumherum? Entscheiden die Piloten, dass sie das Gebiet umfliegen, dann passiert das in Absprache mit der Flugsicherung. Schließlich ist nicht nur auf deutschen Autobahnen, sondern auch im Luftraum eine Menge los. Einfach rechts oder links ausweichen ist also nicht. Und wenn kein Platz ist? Das sei ihm noch nie passiert, sagt Frank Blanken. Und Blanken fliegt bereits seit 35 Jahren.
Experte sagt: „Piloten werden auf so eine Situation gut vorbereitet“
Und wie ist es nun, ohne Sicht zu fliegen? Auch hier eher eine entspannte Reaktion des erfahrenen Piloten. Er macht deutlich, dass Piloten in der Ausbildung gut vorbereitet werden. „Es gehört grundsätzlich zur Ausbildung eines Verkehrspiloten, eine sogenannte automatische Landung durchzuführen“, stellt Blanken klar. Sehr intensiv würde auf solche Situationen in der Ausbildung eingegangen. Außerdem seien diese Inhalte Teil des wiederkehrenden Simulatortrainings, das mindestens zweimal im Jahr wiederholt werden müsse.
Bei solchen automatischen Landungen handelt es sich allerdings immer um einen Notfall, denn: Vorgesehen ist eine solche Situation eigentlich nicht, man versucht sie zu umgehen. Bei sehr dichtem Nebel und schlechter Sicht würden Flüge deswegen auch abgesagt. Aber das Wetter sei eben auch nur bedingt vorhersehbar, deswegen ist auch er schon das ein oder andere Mal in die Situation geraten, ohne Sicht landen zu müssen. Etwa 20 Mal schätzt er, sei ihm das in seiner Laufbahn schon passiert. Und es ist immer alles gut gegangen.
Das sagt Austrian Airlines zum Hagel-Horror
Wie es dem Piloten der Maschine der Austrian Airlines erging, darüber kann nur spekuliert werden. Ein Gespräch mit dem Piloten lehnt die Airline ab. Derzeit würde der Vorfall untersucht. In dieser Zeit würden keine Interviews zu dem Thema ermöglicht, heißt es auf Anfrage unserer Zeitung.
Warum der Airbus A320 auf Flug OS434 am Sonntag mitten durch die Hagelschauer flog und warum die Unwetterzelle auf dem Wetterradar nicht angezeigt worden war, diese Fragen sind Teil einer internen Untersuchung, wie Austrian Airlines auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt. Ob auch die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes in Österreich eine eigene Investigation einleiten wird, obliege deren eigener Entscheidung und stehe aktuell noch nicht fest, heißt es weiter.