Berlin. Im 19. Jahrhundert entdeckten Archäologen in einem mesopotamischen Palast fünf mysteriöse Zeichen. Ein Forscher hat sie nun entziffert.
Im 19. Jahrhundert entdeckten Archäologen in den Ruinen eines 2700 Jahre alten mesopotamischen Königspalastes in der Stadt Dūr-Šarrukīn eine faszinierende Sammlung von Symbolen: einen Löwen, einen Adler, einen Stier, einen Baum und einen Pflug. Die Anordnung der Symbole ließ die Experten schon zu dieser Zeit vermuten, dass es sich um mehr als nur dekorative Elemente handeln könnte, doch die genaue Bedeutung dieser Figurenfolge blieb bis heute ein Rätsel.
Britischer Wissenschaftler löst jahrhundertealtes phonetisches Rätsel
Ein britischer Forscher hat nun eine interessante Hypothese vorgelegt, die Licht in das jahrhundertealte Rätsel bringen könnte. Martin Worthington, Assyrologe am Trinity College in Dublin, vermutet, dass die Symbole phonetisch den Namen des Herrschers Sargon von Akkad wiedergeben könnten. Sargon war ein König, der nach einer umstrittenen Thronbesteigung die Stadt Kisch regierte und später akkadische und sumerische Gebiete eroberte.
Zunächst vermutete Worthington, dass die Symbole aramäische Wörter darstellten, doch dieser Ansatz führte zu keinem Ergebnis. Als er jedoch assyrisch-babylonische Begriffe verwendete, ergab die Reihenfolge der Symbole – Löwe, Adler, Stier, Baum und Pflug – phonetisch den Namen „šargīnu“, was in assyrischer Sprache Sargon bedeutet.
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Forscher vermutet astronomische Bedeutung der Zeichen
Worthington spekuliert weiter, dass es sich bei den Symbolen um Sternbilder handeln könnte, wie sie heute noch bekannt sind: Löwe, Adler und Stier. Dafür sprächen auch die verwendeten Farben Blau und Gelb, die laut dem Forscher stark an den Nachthimmel erinnern.
Worthington folgert daraus: „Die Wirkung der fünf Symbole bestand darin, den Namen Sargons für alle Ewigkeit in den Himmel zu schreiben“. Diese Art der Assoziation sei in vielen antiken Kulturen zu finden, in denen Herrscher oft versuchten, ihre Autorität durch die Verbindung mit himmlischen Phänomenen zu stärken.
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Sargon von Akkad und seine Thronbesteigung
Im 6. Jahrhundert v. Chr. erhob sich im heutigen Khorsabad, etwa 15 Kilometer von Mossul entfernt, die imposante Stadt Dūr-Šarrukīn. Das assyrische Volk, das seit über 1200 Jahren im Norden Mesopotamiens lebte, hatte in dieser Zeit mehrere Großreiche hervorgebracht. Nach einer Phase der Schwäche gelang es König Tiglat-Pileser III. ab 745 v. Chr., das neuassyrische Reich wieder zu alter Größe zu führen.
Sein Sohn Salmanassar V. setzte die Expansion des Reiches fort, fiel aber 721 v. Chr. einem Attentat zum Opfer. Die Thronfolge wurde unklar, als plötzlich sein Bruder, der spätere Sargon II., in den Königslisten auftauchte. Dies führte zu Spekulationen, dass Sargon von Akkad den Thron gewaltsam an sich gerissen haben könnte. Einige Dokumente aus seiner Regierungszeit (721 bis 705 v. Chr.) stützen diese Vermutung.
Sargon vergrößerte sein Reich durch militärische Eroberungen und begann ab 712 v. Chr. mit dem Bau von Dūr-Šarrukīn, das als neue Hauptstadt des neuassyrischen Reiches dienen sollte. Die Stadt soll etwa drei Quadratkilometer groß gewesen sein und über zahlreiche Tempel verfügt haben, wie aus überlieferten Inschriften hervorgeht. Nach Martin Worthington sollte diese Stadt als Zeichen der unangefochtenen Macht und des Reichtums Sargons dienen, was sich auch in den im Palast gefundenen Symbolen widerspiegelt, die Sargons Einfluss sichtbar machen sollten.
Nach sechsjähriger Bauzeit zog Sargon 706 v. Chr. in den neuen Prunkbau ein. Doch er konnte sich nicht lange an seiner Residenz erfreuen, denn schon ein Jahr später starb Sargon auf einem Feldzug in der heutigen Türkei. Mit seinem Tod begann der Niedergang der neu errichteten Hauptstadt. Sein Nachfolger Sennacherib stellte die Bauarbeiten ein und verlegte den Königshof nach Ninive.