Berlin. Viele Mütter glauben, ihrer Rolle als Mutter nicht gerecht zu werden. Wie das „Impostor-Syndrom“ entsteht und was man dagegen tun kann.
Den Haushalt schmeißen, die Kinder erziehen und berufstätig sein – diesem vermeintlichen Ideal der „perfekten Mutter“ streben vermutlich viele Frauen nach. Doch viele zweifeln stark, ob sie diesem Bild überhaupt gerecht werden können. Das zeigt eine Studie der Online-Therapieplattform „HelloBetter“ in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Ipsos.
Studie zeigt: Mütter fühlen sich häufig überlastet
Ab dem 30. Lebensjahr sehen sich Frauen oft einem Berg von Aufgaben gegenüber: Sie sollen im Beruf Höchstleistungen erbringen, Karriere machen, eine Familie gründen und sich fürsorglich um ihre Kinder kümmern, um ihnen einen erfolgreichen Start ins Leben zu ermöglichen. Damit einher geht noch der sogenannte Mental Load.
Fast ein Drittel der Mütter (32 Prozent) empfindet laut der Studie von „HelloBetter“ eine hohe oder sehr hohe Belastung durch den Spagat, den die verschiedenen Aufgaben abverlangen. Die Studie zeigt auch, dass die Betreuungs- und Erziehungsaufgaben meist ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt sind. Entsprechend geben 21 Prozent der Mütter gegenüber nur 14 Prozent der Väter an, durch die Kindererziehung belastet zu sein. Noch deutlicher sind die Unterschiede bei der Hausarbeit: 31 Prozent der Mütter gegenüber 16 Prozent der Väter fühlen sich durch die Hausarbeit belastet.
- Lesen Sie auch: Tipps für Eltern: Wie Kinder schneller und gesund schlafen
Erziehung: Junge Mütter und das Impostor-Syndrom
Hinzu kommt: Trotz erkennbarer Leistungen glaubt ein erheblicher Teil der Mütter, Erfolge nicht verdient zu haben. Über alle Altersgruppen hinweg hegt etwa jede vierte Mutter Selbstzweifel. Dr. Hanne Horvath, Psychologin und Mitbegründerin von „HelloBetter“, erklärt dies mit dem sogenannten Impostor-Syndrom, einem psychologischen Phänomen, bei dem sich Menschen trotz ihrer Erfolge als Hochstapler fühlen, weil sie überzeugt sind, „nie genug zu sein“.
Besonders anfällig für dieses Gefühl sind offenbar junge Mütter: Fast jede dritte junge Mutter unter 35 Jahren leidet laut Studie unter diesem Syndrom. Vor allem der Vergleich mit anderen Müttern in sozialen Netzwerken lässt junge Mütter an ihrer Elternschaftzweifeln (24 Prozent). 17 Prozent fühlen sich durch negative Kommentare, das sogenannte „Mom Shaming“, verunsichert.
- Emotionen: Partner zeigt keine Gefühle? Was dahinter steckt
- Eifersucht bei Männern:Das sind die Anzeichen
- Was wollen Frauen? „Mehr als körperliche Befriedigung“
- Liebeskummer überwinden:Diese Frage sollten Sie sich stellen
- Beziehung:Anzeichen von Bindungsangst bei Männern
Was ist das Impostor-Syndrom?
Der Begriff Syndrom weckt die Assoziation einer psychischen Störung. Das Impostor-Syndrom ist jedoch keine Krankheit, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal, erklärt Hanne Horvath. Das Syndrom könne sich in vielen Lebensbereichen zeigen. Bekannt sei es vor allem im Zusammenhang mit beruflicher Leistung, aber auch in Bezug auf die Elternschaft können diese starken Gefühle des Selbstzweifels auftreten. „Frauen, die das Gefühl haben, keine „richtige Mutter“ zu sein und in dieser Rolle zu versagen, leiden unter dem Mom-Impostor-Syndrom“, so Horvath.
Die Angst, der Mutterrolle nicht gerecht zu werden, führe oft zu Perfektionismus und Überkompensation. „Das bedeutet, dass betroffene Frauen sich wenige Momente für sich gönnen und ihre eigenen Bedürfnisse stark zurückstellen“, erklärt die Psychologin. Ebenso falle es ihnen schwer, Unterstützung bei der Kinderbetreuung anzunehmen, da dies die Bestätigung wäre, „dass sie ihre Rolle als Mutter selbst nicht ausfüllen können“, so Horvath.
- Auch interessant: Soziologin: „Väter denken offenbar sehr kritisch über sich“
Impostor-Syndrom: Das sind die Symptome und Ursachen
Symptomatisch für das Impostor-Syndrom seien laut Horvath „erhöhte Reizbarkeit, ein ständiges Gefühl der Überforderung, Selbstzweifel, negative Gedankenmuster und intensives Grübeln“. Als Reaktion auf diese psychischen Belastungen könnten Schlafstörungen, Bluthochdruck und Angstzustände auftreten. In einigen Fällen führe der anhaltende Stress sogar zum Burnout, „auch weil es für Betroffene typisch ist, die Selbstzweifel mit noch mehr Anstrengung zu bekämpfen“, fügt Horvath hinzu.
Zudem bleiben Betroffene oft unter ihren Möglichkeiten. So fällt es manchen Frauen etwa schwer, nach einer Babypause wieder in den Beruf einzusteigen. „Die Vorstellung, in beiden Lebensbereichen performen zu müssen, führt zu mentalem Dauerstress“, erklärt die Psychologin.
Horvath verortet die Ursachen für die Hochstaplergefühle in der Kindheit der Betroffenen: „Wurde im sozialen Umfeld sehr stark auf Leistung geachtet und diese besonders hervorgehoben und gelobt, können Kinder das Gefühl entwickeln, dass sie sich gegenüber ihren Eltern und anderen Bezugspersonen beweisen müssen“. Ebenso könne übermäßiges Lob dazu führen, dass Kinder Versagensängste entwickeln.
Impostor-Syndrom: Strategien gegen die Selbstzweifel
Die Studienergebnisse machen deutlich, dass es nicht nur die Anforderungen der Umwelt, sondern auch die eigenen sind, die zu psychischem Stress und Selbstabwertung führen. Psychologin Horvath rät Betroffenen daher, über ihre Gefühle zu sprechen. „Im Fall des Mom-Impostor-Syndroms ist insbesondere der ehrliche Austausch mit anderen Müttern wertvoll. Die Gewissheit, nicht alleine zu sein, beendet zwar nicht unmittelbar das Leiden, aber es kann dazu führen, dass sich ein Gefühl der Beruhigung und Erleichterung einstellt“, so Horvath.
Eine gute Strategie sei es auch, abends vor dem Einschlafen aufzulisten, was alles bewältigt wurde, oder, wie Horvath es nennt, den Blick auf die eigene „Habenseite“ zu lenken. Vor allem Routinen seien hier der Schlüssel. „Durch das regelmäßige Bewusstmachen, was alles gelungen ist, steigt die Chance, dass die vom Impostor-Syndrom betroffenen Frauen sich wieder selbst vertrauen.“, betont die Psychologin.
Vor dem Hintergrund der Studienergebnisse unterstreicht Horvath auch die Bedeutung eines bewussten Umgangs mit sozialen Medien. „Sich perfekt inszenierende „Insta-Eltern“ oder „Insta-Moms“ können den Eindruck erwecken, dass Mutterschaft mühelos gelingt“, gibt die Psychologin zu bedenken. Sie empfiehlt daher, sich in sozialen Medien Mütter anzusehen, die einen realitätsnahen Alltag leben: „Dieser Input kann sehr hilfreich sein, um die eigenen Erwartungen an sich selbst in dieser Rolle sinnvoll nach unten zu korrigieren“, so Horvath.
- ADHS bei Erwachsenen:Betroffene erklärt, was wirklich hilft
- Schlafstörungen:Häufig hilft nur noch diese Methode
- Hormone:Wechseljahre mit 27 – Die ersten Anzeichen der Menopause
- Demenz: Ab wann Gedächtnislücken besorgniserregend sind