Berlin. Nach der mutmaßlichen Brandstiftung in einem Haus in Solingen wurde ein Verdächtiger zunächst festgenommen. Doch der hat ein Alibi.
Nach dem mutmaßlich vorsätzlich gelegten Brand in einem Mehrfamilienhaus in der nordrhein-westfälischen Stadt Solingen, bei dem in der Nacht von Montag auf Dienstag vier Menschen ums Leben gekommen sind, geht die Suche nach Verdächtigen weiter.
Ein vorläufig festgenommener Mann kam am Freitag wieder auf freien Fuß. Der Mann sei nach längerer Vernehmung wieder entlassen worden, nachdem sein Alibi überprüft und bestätigt worden sei, sagte Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt der Deutschen Presse-Agentur. Es bestehe „kein dringender Tatverdacht“. Der Mann war den Angaben zufolge nach einer Augenzeugenbefragung zunächst festgenommen worden.
Nun werde „ergebnisoffen in alle Richtungen“ weiter ermittelt, sagte Kaune-Gebhardt. „Jedem Hinweis wird nachgegangen“, sagte der Sprecher. Weitere Verdächtige seien nicht in Gewahrsam der Polizei. Aus den Ermittlungen hätten sich aber „viele Hinweise“ ergeben. Hinweise auf einen rassistischen Hintergrund bei dem Brand in Solingen südlich von Wuppertal lägen weiterhin nicht vor.
Rassistisches Motiv hinter Brandstiftung?
Der Integrationsdienst NRW vermutet hingegen, dass hinter der mutmaßlichen Brandstiftung ein rassistisches Motiv liegen könnte. Nach Auskunft der Wuppertaler Staatsanwalt sollen in dem Haus Menschen mit Migrationshintergrund gelebt haben. Bei den Getöteten handele es sich sehr wahrscheinlich um eine aus Bulgarien kommende Familie.
„Leider müssen wir davon ausgehen, dass hinter dem feigen Anschlag rassistische Hintergründe stecken“, sagte der Vorsitzende des Landesintegrationsrats NRW, Tayfun Keltek, am Mittwochabend in Düsseldorf. „Die aktuell gesellschaftlich aufgeheizte Lage lässt mich zu diesem Ergebnis kommen.“ Der Islamverband Ditib erklärte, die Tat erinnere an den Solinger Brandanschlag von 1993, bei dem fünf Menschen getötet wurden.
Brand in Solingen: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mordes
Nach Angaben von Ditib sind bis auf eine Person alle Hausbewohner „türkischstämmige Muslime aus Bulgarien oder der Türkei“. Bei der getöteten Familie – junge Eltern im Alter von vermutlich 28 und 29 Jahren, ein dreijähriges und ein fünf Monate altes Kind – handelt es sich dem Islamverband zufolge um eine „muslimische Familie mit bulgarischer Staatsbürgerschaft“. Die Ditib-Gemeinde vor Ort habe bereits erste Gespräche mit den Hinterbliebenen aufgenommen.
Das Feuer war kurz vor 3 Uhr nachts ausgebrochen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die getötete Familie, deren Leichen im Dachgeschoss des Gebäudes gefunden vor waren, vor den Flammen fliehen wollte – dies allerdings nicht schaffte. Drei weitere Menschen wurden bei dem Brand schwer verletzt, fünf erlitten weniger schwere Verletzungen. Einige Bewohner waren in der Nacht zu Dienstag in Todesangst aus dem etwa 100 Jahre alten brennenden Altbau auf die Straße gesprungen.
Die Staatsanwaltschaft geht von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Sie äußerte gegenüber der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, man ermittle „selbstverständlich in alle Richtungen“. Nichts sei ausgeschlossen. „Aber über ein Motiv kann man frühestens sprechen, wenn man einen Tatverdächtigen hat.“ In dem hölzernen Treppenhaus seien Reste eines Brandbeschleunigers nachgewiesen worden, hatte die Ermittlungsbehörde am Mittwoch erklärt. Ermittelt werde wegen Mordes beziehungsweise versuchten Mordes.