Berlin. Durch das Abschmelzen der Polkappen verlangsamt sich die Erdrotation – als Folge verändern sich die planetaren Zeitabläufe.
Müssen wir nun unsere Zeitmessung verändern, weil sich das Klima ändert? Klingt schräg und war lange nur eine Theorie – jetzt liegen wissenschaftliche Erkenntnisse dazu vor. Fest steht demnach: Die Erderwärmung hat die Erdrotation verlangsamt, und das hat Auswirkungen auf die Länge unserer Tage.
In einer am Mittwoch im Fachmagazin „Nature“ veröffentlichten Studie wird der Effekt einleuchtend erklärt, und es ist ein Effekt, den jeder vom Kinderkarussell kennt oder bei den Pirouetten von Eiskunstläuferinnen beobachten kann: Die Verlagerung von Masse an einem sich drehenden Körper verändert dessen Drehgeschwindigkeit. Im Fall der Erde sorgt das Abschmelzen der kilometerdicken Polkappen dazu, dass sich die vorher dort gebundenen Wassermassen in Richtung Äquator verlagern.
Klimawandel überlagert alle anderen Effekte
Der gemessene Effekt durch den Klimawandel sei so groß, dass er einen gegenläufigen Trend komplett überlagert. Denn aufgrund von anderen Faktoren hatte die Erde in den letzten Jahrzehnten begonnen, sich schneller zu drehen.
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Dass sich die Rotationsgeschwindigkeit der Erde verändert, ist nichts Ungewöhnliches. Denn das Tempo hängt von vielen Faktoren ab, die sich wandeln: Kontinentalplatten verschieben sich, Eiszeiten sorgen für Erdhebungen und -senkungen, Gezeitenströme wechseln die Richtung. All dies verschiebt die Verteilung der Masse und damit das Tempo der Erdrotation.
Daher waren zum Beispiel vor etwa 70 Millionen Jahren die Tage kürzer und dauerten etwa 23,5 Stunden - und das Jahr der Dinosaurier war 372 Tage lang - hätten sie denn gemessen.
Ein ebenso wichtiger Faktor sind Bewegungen im flüssigen Erdkern, und sie waren es auch, die zuletzt für die Beschleunigung sorgten, so Studienautor Duncan Carr Agnew. Wegen dieser Beschleunigung hatten die Hüter der seit 1972 geltenden Koordinierten Weltzeit (UTC) erwogen, erstmals ab 2026 das Jahr in der Messung der Weltzeituhren um eine „Schaltsekunde“ zu verkürzen.
Folgen des Klimawandels: Die Weltzeit komplett abkoppeln?
Nun belegen jedoch Agnews Messungen, dass der Klimawandel die Überlegungen wohl zunichte macht: Nach seinen Berechnungen wäre die Schaltsekunde erst 2029 notwendig. Wenn überhaupt, denn die Erderwärmung schreitet fort, das Abschmelzen der Polkappen ebenfalls. Auch die Entschleunigung des Planeten wird sich also fortsetzen.
Es kommt ein weiterer Faktor hinzu: Veränderungen in der Zeitmessung hat es über die Jahrhunderte durchaus immer wieder gegeben: Aber in digitalisierten, global abgestimmten Systemen, ist das Hinzufügen oder Abziehen von Schaltsekunden ein Sicherheitsrisiko. Daher debattieren die Hüter der Weltzeit darüber, sie komplett von den Einflüssen der Gestirne abzukoppeln. (ftg)
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