Berlin. Eine Studie untersuchte DNA aus „Kaugummi“ und wirft damit neues Licht auf die Ernährung und Mundgesundheit in der Steinzeit.
Vor etwa 9700 Jahren lebte an der Westküste Skandinaviens eine Gruppe Jägerinnen und Sammler. Unter ihnen waren auch einige heranwachsende Jungen und Mädchen, die laut einer neuen Studie eine Angewohnheit moderner Menschen teilten. Sie sollen auf Harzklumpen herumgekaut haben, als wäre es Kaugummi.
Dieser Kaugummi bestand demnach aus Birkenpech, einem teerähnlichen schwarzen Harz, und wurde mit Speichel vermischt. Auf den Fundstücken, die in der Nähe von Göteborg entdeckt wurden, waren deutliche Zahnabdrücke zu erkennen. Sie wurden laut der in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlichten Untersuchung von Mädchen wie Jungen gleichermaßen gekaut. Die Analyse der DNA aus den Klumpen wirft neues Licht auf die Ernährungsgewohnheiten und Mundgesundheit von Menschen in der Steinzeit.
„Kaugummi“ aus Harz wurde als Klebstoff verwendet
Die Birkenpechklumpen wurden vor 30 Jahren neben Knochen in der archäologischen Stätte Huseby Klev im Westen Schwedens nördlich von Göteborg gefunden. Die Menschen kauten das Harz höchstwahrscheinlich, um es als Klebstoff zu verwenden, heißt es in der Forschungsarbeit. Seit dem Mittelpaläolithikum wurde Harz als Klebesubstanz bei der Herstellung von Werkzeugen verwendet.
„Dies ist eine sehr wahrscheinliche Hypothese – sie könnten aber auch einfach gekaut worden sein, weil sie den Menschen schmeckten oder weil sie glaubten, sie hätten einen medizinischen Zweck“, erklärte Anders Götherström, Mitautor der Studie, dem britischen „Guardian“.
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Hirsch, Forelle und Haselnuss: Das aßen die Menschen vor 10.000 Jahren
Götherström und sein Team von der Universität Stockholm konnten anhand der Bakterien und Mikroorganismen im Harz feststellen, wie die steinzeitliche Ernährung der Teenager ausgesehen haben muss. So sollen sie unter anderem Hirsch, Forelle und Haselnuss gegessen haben, bevor sie den Birkenpech-Kaugummi in den Mund nahmen. Auch wurden Spuren von Apfel, Ente und Fuchs nachgewiesen.
Eine bedeutende Entdeckung, wie Götherström sagt: „Wenn wir menschliche Knochen untersuchen, bekommen wir menschliche DNA. Wenn wir menschliche Zähne untersuchen, kriegen wir noch mal mehr Informationen. Hier aber bekommen wir Erbinformationen von Fundstücken, die vor langer Zeit gekaut wurden.“
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Eine Jugendliche hatte eine heftige Zahnfleischentzündung
Mithilfe verschiedener Methoden wurden die DNA-Fragmente zudem auf Krankheitserreger untersucht. Bei den Analysen wurden unter anderem die alten DNA-Daten mit Daten aus dem Mund moderner Menschen mit Karies und Parodontitis verglichen.
Das Ergebnis: Einer der Teenager hatte offenbar eine besonders schlechte Mundgesundheit. Ein Kaugummi wurde demnach von einem Mädchen mit einer schweren Zahnfleischentzündung (Parodontitis) gekaut. „Ihr dürften wahrscheinlich kurz nach dem Kauen dieses Kaugummis langsam ihre Zähne ausgefallen sein. Das muss ziemlich wehgetan haben“, schätzt Götherström.
Außerdem fanden die Wissenschaftler Spuren von Erkrankungen wie Karies und systemischen Erkrankungen wie der Hib-Krankheit, das könnte eine durch das Hib-Bakterium ausgelöste Hirnhaut- und Kehldeckelentzündung gewesen sein, und Endokarditis, einer Entzündung der Herzinnenhaut.
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Studie liefert Momentaufnahme aus der Steinzeit
Die Untersuchung ist ein großer Schritt für das weitere Verständnis der menschlichen Kultur während der Steinzeit. „Sie liefert eine Momentaufnahme des Lebens einer kleinen Gruppe von Jägern und Sammlern an der skandinavischen Westküste“, erklärt Götherström in einem Artikel der Universität Stockholm.
Und weiter: „Ich finde es erstaunlich, es gibt andere, gut etablierte Methoden, um herauszufinden, was Ernährung und Diät mit der Steinzeit zu tun haben. Aber hier wissen wir, dass diese Jugendlichen vor 9700 Jahren an der Westküste Skandinaviens Hirsche, Forellen und Haselnüsse gegessen haben, während mindestens einer von ihnen schwere Probleme mit seinen Zähnen hatte.“
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