Berlin. Für die ARD-Serie „Haus aus Glas“ setzte sich Köhler mit ihrer Familiengeschichte auseinander. Dazu gehören schmerzhafte Erinnerungen.

Vor rund 25 Jahren erlangte Juliane Köhler mit den Filmen „Aimée und Jaguar“ und „Pünktchen und Anton“ deutschlandweit Bekanntheit. 2022 wurde sie sogar zur Bayerischen Staatsschauspielerin ernannt. In letzter Zeit ist die 58-Jährige vor allem am Theater, aber auch in Reihen wie „Toni, männlich, Hebamme“ zu sehen. Im neuen Jahr wartet nun eine neue Herausforderung auf Köhler.

Ab 9. Januar spielt sie als weibliches Familienoberhaupt Barbara Schwarz eine der tragenden Rollen in der großen Constantin-Miniserie „Haus aus Glas“, einem psychologischen Kammerspiel in sechs Teilen. Die Serie läuft um 20.15 Uhr in der ARD und handelt von einer vermögenden Familie, die von alten Traumata und Geheimnissen heimgesucht wird. Im Interview spricht Köhler über ihre eigene Familiengeschichte, ihre persönlichen Erfahrungen mit Therapien und welches Problem der heutigen Gesellschaft sie ratlos macht.

„Haus aus Glas“ handelt von den alten Geheimnissen einer Familie. Inwieweit haben Sie für Ihre Figur Barbara Schwarz Spurensuche in Ihrer eigenen Vergangenheit betrieben?

Juliane Köhler: In der Recherche für so eine Figur bediene ich mich natürlich an meinen eigenen Erfahrungen. Die Frage war, was es für diese Frau bedeutete, als Künstlerin in einer Familie zu existieren, in der sie sich nicht verwirklichen konnte.

Ihre eigene künstlerische Selbstverwirklichung stand hoffentlich nie infrage?

Köhler: Das überhaupt nicht. Aber wir Frauen haben damit zu kämpfen, wie man das Familienleben samt Kindern mit der Karriere unter einen Hut bringt. Als meine Kinder klein waren, gab es noch keine Kita. Das war auch ein Problem, mit dem meine Figur in der Miniserie konfrontiert ist.

Wie haben Sie das damals gelöst?

Köhler: Meine Kinder sind viel ins Theater mitgekommen und dort aufgewachsen, was auch sehr aufregend für sie war. Außerdem gab es Großeltern und Kindermädchen, und weil ich unregelmäßige Arbeitszeiten hatte, konnte ich immer wieder selbst auf die Kinder aufpassen und musste sie nicht vollkommen wegsperren.

Köhler spricht im Interview über die Kriegserfahrungen ihrer Eltern.
Köhler spricht im Interview über die Kriegserfahrungen ihrer Eltern. © Getty Images | Hannes Magerstaedt

Sie haben sich vermutlich auch aktiver mit der eigenen Geschichte beschäftigt, als es Barbara Schwarz in der Serie getan hat?

Köhler: Natürlich habe ich mich mit meiner Vergangenheit auseinandergesetzt und Therapien gemacht. Meine Rolle ist weit davon entfernt, sich mit ihrem Leben therapeutisch zu beschäftigen, was ein großes Problem ist. Denn die Generation der Kriegskinder, zu der unsere Eltern gehören, haben keinerlei Therapien angefangen, weil das in den 60er Jahren verpönt war. Da hieß es gleich, man komme in die Klapsmühle. Aber wenn man Sachen verdeckt und verschweigt, kann das zu so extremen Situationen wie im Film führen.

Haben Ihre Eltern offen über ihre Erlebnisse im Krieg gesprochen?

Köhler: Meine Eltern, die beide verstorben sind, waren schwer traumatisiert vom Krieg. Mein Vater wurde noch mit 17 eingezogen und musste an der Flak die amerikanischen Flugzeuge abschießen. Danach war er in Gefangenschaft. Er hat lange Zeit nicht viel darüber gesprochen und erst in den späten 70er Jahren mit einer Analyse angefangen und sich mit seinem Leben auseinandergesetzt. Meine Mutter wurde ausgebombt und musste dann aufs Land. Sie hatte sehr mit ihren traumatischen Erinnerungen zu kämpfen. Letztlich konnten beide diese Probleme nicht verarbeiten.

Inwieweit wurden Sie selbst durch die Erfahrungen Ihrer Eltern geprägt?

Köhler: Wir werden alle geprägt. Ängste übertragen sich im ganz normalen Rahmen. Zum Glück kann man heute mit Therapeuten darüber sprechen und das reflektieren. Mir hat das sehr geholfen.

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    Kann auch die Schauspielerei so eine therapeutische Funktion erfüllen?

    Köhler: Ich glaube schon. Ich finde es auf jeden Fall unglaublich interessant, mich in andere Menschen hineinzuversetzen. Dadurch bilde ich mich in Psychologie weiter, werde anderen Menschen gegenüber toleranter und gehe viel milder mit Leuten um, die als schwierig gelten.

    Zu Ihren Aktivitäten gehört auch Ihre Schirmherrschaft über die Initiative „Kunstlinge“, wo Jugendliche ohne Ausbildungsplatz in der Begegnung mit Kunst Fähigkeiten für den Berufsalltag lernen sollen. Was gibt Ihnen das?

    Köhler: Das macht mir wahnsinnigen Spaß, denn die jungen Menschen sind bislang nicht mit Kunst in Berührung gekommen und finden erstmal, dass sie unnötig ist. Beim Besuch im Museum zeigen wir ihnen, wie lebenswichtig sie ist, um den Blick auf die Welt, das Leben und die Gesellschaft zu erweitern. Und sie begreifen das sofort.

    Wie kamen Sie in jungen Jahren selbst mit Kunst in Berührung?

    Köhler: Meine Eltern waren Marionettenspieler und so hatten wir zuhause ein Puppentheater, mit dem ich aufgewachsen bin. Außerdem war ich auf einer Waldorfschule. Die war für mich genial, weil da immer Theater gespielt und sehr darauf geachtet wurde, dass man seine kreativen Fähigkeiten ausbaut.

    In den letzten Jahren hat man Juliane Köhler vermehrt auf der Theaterbühne gesehen.
    In den letzten Jahren hat man Juliane Köhler vermehrt auf der Theaterbühne gesehen. © imago/APress | imago stock&people

    Könnten Sie sich mit Ihrer Kenntnis von Psychologie vorstellen, eine gute Therapeutin abzugeben?

    Köhler: Nein, das würde ich mir nicht zutrauen.

    Wie sehen Sie mit diesen ganzen Erfahrungen unsere aktuelle Gesellschaft?

    Köhler: Es gibt im Großen wie im Kleinen wahnsinnig viel Spaltung. Junge Menschen lernen nicht mehr zu debattieren. Sie denken im Extremen und schlagen sich sofort auf die eine oder die andere Seite. Das hat sicher damit zu tun, dass in den sozialen Medien so schnell ver- und beurteilt wird.

    Können Sie zumindest in Ihrem persönlichen Umfeld versöhnen statt spalten?

    Köhler: Das versuche ich natürlich schon. Mit meinen Kindern, Freunden und meiner Familie thematisiere ich das. Aber ich stehe manchmal ratlos da und denke: Wie lässt sich das jetzt wieder hinkriegen? Ich bin eigentlich richtig positiv eingestellt, aber ich finde im Moment keine positive Antwort. Ich kann nur abwarten, dass sich diese Zeit wieder ändert.