Sydney. Forscher finden riesige Unterwasserlandschaften und lüften so Geheimnisse über das Leben vor über 65.000 Jahren.
Es gilt als Sensationsfund: Forscher sind auf riesige Unterwasserlandschaften vor Australien gestoßen, die bis heute ein Mosaik menschlicher Besiedlung offenbaren und vermutlich die Heimat von Tausenden von Menschen waren. Eine Zeitreise, die 65.000 Jahre in die Vergangenheit führt.
Australien ist eines der Länder, in dem Forscherinnen und Forscher immer wieder auf bisher Unbekanntes stoßen: Neue Tier- oder Pflanzenarten, uralte Fossilien oder abgestürzte Meteoriten, die im weiträumigen Outback wie Nadeln im Heuhaufen sind. Allein die Größe des Kontinents mit fast 7,7 Millionen Quadratkilometer stellt sicher, dass nach wie vor nicht jeder Teil des Kontinents erforscht ist.
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Australien: Studien zeichnen Bild einer vergessenen Unterwasser-Landschaft
Nicht umsonst wurde auch der deutsche Forscher und Naturalist Ludwig Leichhardt, der 1848 bei einem Versuch, den Kontinent von Ost nach West zu durchqueren, gemeinsam mit dem Rest seiner Expedition spurlos verschwunden ist, trotz etlicher Suchtrupps über die Jahre hinweg nie gefunden.
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Auch die Unterwasserwelt offenbart immer wieder Geheimnisse, über die bisher wenig bekannt war. So berichten Wissenschaftler mehrerer australischer Universitäten in einer Studie, die im Fachmagazin „Quaternary Science Reviews“ veröffentlich wurde, nun Details einer komplexen Landschaft, die auf dem Nordwestschelf Australiens existierte.
Menschen und Kultur vor 65.000 Jahren überraschten die Forscher
Diese Landschaft sei anders gewesen „als jede Landschaft, die man heute auf unserem Kontinent findet“, schrieben die Forschenden in einem begleitenden Artikel im akademischen Magazin „The Conversation“.
Im Rahmen ihrer Arbeit sammelten die Archäologinnen und Archäologen neue Erkenntnisse über die Umwelt und das Klima wie auch die Menschen und ihre Kultur vor 65.000 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt war das australische Festland noch Teil eines einzigen Megakontinents namens Sahul, zu dem auch Tasmanien und Neuguinea gehörten.
Neue Erkenntnis: Es handelte sich um eine riesige, bewohnbare Landschaft
Damals war der Meeresspiegel noch deutlich niedriger. Der inzwischen überflutete nordwestliche Festlandsockel, der die heutige Kimberley-Region mit dem westlichen Arnhemland in Australien verbindet, war eine riesige, bewohnbare Landschaft, die fast 390.000 Quadratkilometer umfasste – eine Fläche, eineinhalb Mal größer als Neuseeland heute.
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Als jedoch vor rund 18.000 Jahren die letzte Eiszeit endete, ließ die anschließende Erwärmung den Meeresspiegel ansteigen und weite Teile der Kontinente der Welt überschwemmen. Dieser Prozess spaltete Sahul dann in Neuguinea und Australien und schnitt Tasmanien vom Festland ab.
Forscher überrascht: Ureinwohner machten sich die vergessene Region nutzbar
Anders als im Rest der Welt, wo es teilweise auch bewohnte Kontinentalschelfs gab, die inzwischen versunken sind, galten die australischen Schelfs als ökologisch unproduktiv. Lange Zeit glaubte man, sie seien von den australischen Ureinwohnern nur wenig genutzt worden.
Doch erste Beweise deuteten bereits darauf hin, dass Menschen die Region durchaus nutzten. So wurden beispielweise Steinwerkzeuge auf dem Meeresboden vor der Küste der Pilbara-Region in Westaustralien gefunden. Mit der neuen Studie konnten die Forschenden nun ebenfalls zeigen, dass die Region deutlich fruchtbarer war als bisher gedacht und damit vermutlich auch deutlich mehr Menschen dort lebten.
Zeitreise geht als Mammutaufgabe in die Forschergeschichte ein
Für das Projekt analysierte die leitende Archäologin Kasih Norman von der Griffith University in Australien über sechs Jahre hinweg Daten, die eine Kartierung des Meeresbodens ergeben hatte – eine Mammutaufgabe, die die Wissenschaftlerin gegenüber lokalen Medien als eine Art „Zeitreise“ bezeichnete.
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„Wir fanden heraus, dass der niedrige Meeresspiegel einen riesigen Inselarchipel auf dem nordwestlichen Schelf von Sahul freilegte, der sich 500 Kilometer in Richtung der indonesischen Insel Timor erstreckte“, schrieb die Forscherin mit ihren Kollegen.
Wissenschaftler sicher: Menschen nutzten Inseln als Sprungbretter
Dieser Archipel sei vor 70.000 bis 61.000 Jahren entstanden und rund 9000 Jahre lang stabil geblieben. Daraus leiteten die Wissenschaftler ab, dass die Menschen – dank der reichen Ökosysteme dieser Inseln – möglicherweise schrittweise von Indonesien nach Australien auswanderten und die Inseln als jeweilige Sprungbretter nutzten.
Als die polaren Eiskappen während der letzten Eiszeit dann weiter zunahmen und der Meeresspiegel um bis zu 120 Meter sank, wurde der Schelf zum ersten Mal seit 100.000 Jahren vollständig freigelegt. Wie die dadurch freigelegten Landschaften aussahen, die inzwischen wieder überflutet sind, war lange nicht bekannt.
Australien: Es gab neben Seen und Flüssen auch ein Binnenmeer
Doch die Daten aus der Kartierung des Meeresbodens offenbarten nun neben den Inselgruppen auch Seen, Flüsse und sogar ein großes Binnenmeer. Dieses Binnenmeer namens Malita soll 10.000 Jahre lang (vor 27.000 bis 17.000 Jahren) existiert und eine Fläche von mehr als 18.000 Quadratkilometern eingenommen haben. Vergleichbar ist das heutige Marmarameer in der Türkei.
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„Unsere ökologische Modellierung zeigt, dass auf dem jetzt überfluteten Nordwestschelf in den letzten 65.000 Jahren zu verschiedenen Zeiten zwischen 50.000 und 500.000 Menschen gelebt haben könnten“, so die Forscherinnen und Forscher. Diese Schlussfolgerung wird auch durch neue genetische Untersuchungen gestützt, die auf große Populationen zu dieser Zeit hindeuten.
Deshalb mussten sich die Menschen auf den Rückzug begeben
Die Erkenntnisse basieren auf Daten von Menschen, die auf den Tiwi-Inseln östlich des Nordwestschelfs leben. Als der steigende Meeresspiegel am Ende der letzten Eiszeit den Schelf dann wieder überschwemmte und das Wasser in einst produktive Landschaften eindrang, zwang dies die Menschen zum Rückzug.
Die Menschen wichen allen Anschein nach in die Kimberley-Region wie auch ins heutige Arnhemland in Australien aus. Darauf deutet, dass dort zu dieser Zeit neue Kunststile bei den Felsenmalereien auftauchten.
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