Vendig/Berlin. Bei Venedig ist ein Bus mit Touristen die Böschung herabgestürzt und hat Feuer gefangen. Zeugen berichten von grauenhaften Szenen.
- Bei einem schweren Busunglück in Venedig in Italien sind mindestens 21 Menschen ums Leben gekommen
- Ein Bus stürzte von einer Brücke und fing Feuer
- Augenzeugen berichten von grauenhaften Szenen bei dem Unglück
Sie hörten die Explosion und rannten, so schnell sie konnten, los: Was sich dann den beiden Arbeitern der Reederei Fincantier am Bahnhof von Mestre bot, war ein Bild des Grauens. Ein elektrischer Shuttle-Bus, der in Venedig von einer Überführung zehn Meter in die Tiefe gestürzt war und auf die Bahngleise fiel, hatte Feuer gefangen.
"Die Verletzten schrien in den Flammen, es war furchtbar. Ich habe vier Personen aus dem Bus geholt, darunter ein kleines Mädchen und einen Hund. Ich habe sofort gesehen, dass der Busfahrer tot war", sagte Boubacar Touré (27) aus Gambia der Zeitung "Il Gazzettino".
Zusammen mit seinem Freund Godstime Erheneden, der aus Nigeria stammt, gehört Touré zu den Ersten, die den Opfern helfen konnten. "Ich trug eine Frau auf meinen Schultern aus dem Wrack hinaus. Die Frau schrie: ,Meine Tochter, meine Tochter!' Sie flehte mich an, ihre Tochter zu retten, die eingeklemmt war. Ich sah ein kleines Mädchen. Als ich sie in meinen Armen hielt, fühlte es sich an, als würde ich meinen eigenen Sohn halten. Ich weiß nicht, ob sie überlebt hat. Wir wissen nicht, ob sich die Menschen, die wir aus dem Bus geholt haben, retten konnten, denn die Feuerwehrleute haben sie sofort ins Spital gebracht", erzählt Touré.
Auch Erheneden (30), der seit sieben Jahren in Italien lebt, hat einige Menschen aus dem brennenden Bus gerettet. "All diese Leichen, all diese toten Menschen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele es waren, es waren so viele. Und dann die Schreie! Sie sind immer noch in meinem Kopf, ich habe sie immer noch vor Augen", sagte Erheneden der "Il Gazzettino".
Bus-Unfall in Venedig: Verlor der Fahrer die Kontrolle?
Am Tag nach dem Unglück sind noch viele Fragen offen. Von den 21 Toten sind bis zum späten Vormittag erst neun identifiziert. Mindestens fünf von ihnen kommen nach Angaben der italienischen Behörden aus der Ukraine. Auch eine Deutsche oder ein Deutscher sind darunter.
Wegen des Brands wird befürchtet, dass es längere Zeit dauern könnte, bis die Identität aller Todesopfer mit Sicherheit festgestellt ist. Auch unter den 15 Verletzten hat mindestens einer die deutsche Staatsangehörigkeit. Die anderen kommen aus der Ukraine, aus Spanien, Österreich, Frankreich und Kroatien.
Unter den Toten ist auch der Fahrer des Busses, ein 40 Jahre alter Italiener. Weil unklar ist, warum der Bus kurz nach Einbruch der Dunkelheit gegen 19.45 Uhr plötzlich von der Brücke stürzte, gilt ihm nun das besondere Interesse. Nach Auskunft von Kollegen war er ein zuverlässiger Mann mit vielen Jahren Berufserfahrung.
Der Bus, der mit Methangas betrieben wurde, gehört einem Unternehmen namens La Linea Spa, gechartert wurde er von einem Campingplatz in Marghera. Spekuliert wird, ob der Fahrer durch einen Schwächeanfall die Kontrolle über den Bus verloren haben könnte – oder auch, dass er eingeschlafen ist. Die Staatsanwaltschaft leitete noch in der Nacht Ermittlungen ein. Auch andere Möglichkeiten werden nicht ausgeschlossen.
Aufschluss erhoffen sich die Ermittler von einer Überwachungskamera, die an der Unfallstelle platziert ist. Möglicherweise hat auch eine Kamera in dem Elektrobus die Szene aufgezeichnet. Allerdings suchten die Einsatzkräfte am Dienstag noch danach.
Bus-Unglück: Kamera filmte den Unfall
Auch der Geschäftsführer des Busunternehmens, Massimo Fiorese, der vom italienischen Sender Rai zitiert wurde, stützt sich auf Kameraauswertungen und zieht ein Fazit: "Was wir wissen, ist, dass es eine feste Kamera auf der Brücke gibt. Aus dem, was ich auf den Bildern gesehen habe, sieht man den Bus mit weniger als 50 Stundenkilometern kommen. Man sieht die Bremslichter aufleuchten. Also hat er gebremst. Dann sieht man, wie das Fahrzeug sich an die Leitplanke lehnt, umkippt und herunterfällt."
Ein Feuerwehrmann berichtete: "Die Batterien des Busses fingen unmittelbar nach dem Aufprall Feuer. Wir mussten auf die Abkühlung der Batterien warten, um das Fahrzeug entfernen zu können."
Einige junge deutsche Touristen, die auf dem Campingplatz übernachteten, sagten noch am Dienstagabend im Fernsehen: "Wir sollten den nächsten Bus nehmen. Aber der kam nicht. Und dann haben wir es gehört. Es ist eine Tragödie."
Dass Tagesurlauber aus den Festland-Vororten Marghera oder Mestre hinüber in die Altstadt pendeln, ist längst Gewohnheit geworden. Beides sind eigene Stadtteile von Venedig, werden aber häufig als "hässliche Schwestern" bezeichnet. Dort schläft und isst man deutlich billiger. Hin zur Lagune kommen die Venedigbesucher dann mit dem Auto, mit der Bahn oder eben mit dem Bus.
Unfall: "Schreckliche Tragödie"
"Eine schreckliche Tragödie hat unsere Gemeinschaft getroffen. Ich habe sofort einen Trauertag zum Gedenken an die vielen Opfer angeordnet, die in dem verunglückten Bus waren. Wir haben eine apokalyptische Szene erlebt, es gibt keine Worte", schrieb der Bürgermeister Luigi Brugnaro.
Der Patriarch von Venedig, Francesco Moraglia, erreichte den Unglücksort in Begleitung von Bürgermeister Brugnaro. Moraglia sprach ein Gebet und segnete anschließend die Leichen, die mit weißen Tüchern bedeckt waren.
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Vizepremier Antonio Tajani drückten den Opfern und ihren Familien ihr Beileid aus. "Ich danke der Polizei, der Feuerwehr und dem medizinischen Personal für den Einsatz. Ich drücke meine Solidarität mit der Stadt Venedig und der Stadtverwaltung aus", twitterte Außenminister Tajani. Staatschef Sergio Mattarella telefonierte mit Bürgermeister Brugnaro und kondolierte den Familien der Opfer. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen trauerte um die Verstorbenen.