Berlin/Venedig. Neue Pläne: Wer Urlaub in Venedig macht, muss zukünftig Eintritt bezahlen. Die Gebühr soll aber nur bestimmte Touristen betreffen.

Gedränge entlang den Kanälen, Touristenansturm auf die beliebten Wasserboote und voll besetzte Tische der Cafés am Markusplatz: Während am Lido das Filmfestival mit vielen internationalen Stars - von Woody Allen bis George Clooney - voll im Gange ist, erlebt Venedig in diesem heißen September einen wahren Tourismusboom. Trotz hoher Hotelpreisen und Flugtickets wird die Lagunenstadt regelrecht von Urlaubern bestürmt. So sehr sich die Hoteliers freuen – den Verantwortlichen ist das zu viel. Sie wollen, dass Touristen nun vorab reservieren, wenn sie Venedig besuchen.

Die Gemeinde will ab kommendem Frühjahr ein umstrittenes Gebührensystem für Tagestouristen testen, um den Besucherandrang zu begrenzen. Tagesausflüglern soll für den Eintritt in das historische Zentrum eine Gebühr von fünf Euro berechnet werden, erklärt die Stadtverwaltung. Ziel sei es, den Tagestourismus in der Lagunenstadt zu bestimmten Zeiten herunterzufahren. Das umstrittene Vorhaben muss noch vom Stadtrat genehmigt werden.

Urlaub in Venedig: "Overtourism" verdrängt Einwohner aus dem Zentrum

Viele Details sind noch unklar, insbesondere hinsichtlich der Anzahl der täglich zur Verfügung stehenden Tickets. Zunächst stimmte der Ratsvorstand einer 30-tägigen Testphase zu, die sich voraussichtlich auf Feiertage und Wochenenden im Frühjahr und Sommer 2024 erstrecken wird. Ausgenommen von der Eintrittsgebühr sind Anwohner, Pendler, Studenten und Kinder unter 14 Jahren sowie Touristen, die in der Stadt übernachten.

Es sei notwendig, die Touristenströme in bestimmten Zeiträumen zu regulieren, erklärte Bürgermeister Luigi Brugnaro. Dies bedeute aber nicht, dass die Stadt "geschlossen" werde. "Venedig wird immer allen offen stehen." Mit dem neuen Gebührensystem werde Venedig zum "Vorreiter auf globaler Ebene", erklärte nun der Stadtrat für Tourismus, Simone Venturini. Es gehe nicht darum, Geld zu verdienen, sondern darum, eine "neue Balance zu finden zwischen den Rechten derjenigen, die in Venedig leben, studieren oder arbeiten, und jenen, die die Stadt besuchen".

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    Die Pläne der Gemeinde sorgen für Diskussionen. Arrigo Cipriani, 91-jähriger Gastwirt und Eigentümer des legendären Harry´s Bar, einst Künstlertreff von Größen wie US-Schriftsteller Ernest Hemingway, ist gegen die Steuer für Tagestouristen, die er als "Schikane" bezeichnet. "Statt einem Eintrittsgeld für Tagestouristen, sollten alle Transaktionen in der Stadt, angefangen von Zahlungen in Hotels und Restaurants, besteuert werden. Damit könnte man den Einwohnern in Venedig angemessene Steuererleichterungen sichern", meint Cipriani.

    Luca Zaia, Präsident der Region Venetien, zu der Venedig gehört, unterstützt dagegen die Pläne von Bürgermeister Brugnaro. "Touristen sind bei uns immer willkommen, aber die negativen Auswirkungen des Massentourismus auf die Stadt müssen reduziert werden. Venedig-Besuche werden unabhängig vom Einkommen für jeden garantiert sein, aber einige Regeln müssen respektiert werden", meinte Zaia. Der Handelsverband Confesercenti stellt sich ebenfalls auf die Seite des Stadtrats. Die Buchungspflicht müsse einen Anreiz für Qualitätstourismus sein.

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    Die im fünften Jahrhundert gegründete Inselstadt ist eine der meistbesuchten Städte der Welt. Zu Spitzenzeiten übernachten dort 100.000 Touristen pro Nacht, dazu kommen zehntausende Tagesbesucher. Die Unesco hatte Venedig sowie die dazugehörigen Lagunen 1987 zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt. Ende Juli empfahl die Unesco aber, die Stadt als bedrohtes Weltkulturerbe einzustufen. Der italienischen Lagunenstadt drohen "irreversible" Schäden, falls die Behörden in Italien nicht mehr zum ihrem Schutz täten, begründete die UN-Kulturorganisation ihre Empfehlung. Mitte September stimmt der Welterbe-Rat der Unesco-Mitgliedstaaten über die Einstufung ab.

    "Wenn wir so weiter machen, werden wir zu einer Geisterstadt wie Pompeji", alarmiert Matteo Secchi von der Gruppe Venessia.com, die sich für das Überleben der Stadt einsetzt. Unermüdlich warnt er vor einem "Venexodus". Vor allem die Jugend scheint es satt zu haben, horrende Preise für Grundnahrungsmittel zu zahlen, den Touristenstrom zu erdulden, kein Auto zu besitzen und darüber hinaus Unsummen für eine kleine Wohnung auszugeben. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Zahl der Bewohner Venedigs von 175.000 auf ein Rekordtief von 49.000 Menschen gesunken. Noch im Jahr 2000 zählte die Lagunenstadt 66.386 Einwohner. An einer Strategie zur Wiederbelebung der Altstadt wird schon seit längerer Zeit gearbeitet – ohne viel Erfolg. (mta)