Berlin. Schon 100.000 Jahre vor dem Homo Sapiens begrub eine Menschenart ihre Toten. Muss die Evolutionsgeschichte umgeschrieben werden?
Wie eine Kultur ihre Toten begräbt, sagt viel über die Werte, die Technik und den Glauben dieser Menschen aus. Bislang nahmen Wissenschaftler an, dass nur der moderne Homo Sapiens und der Neandertaler in ihrer Entwicklung fortgeschritten genug waren, um ihre Verstorbenen zu begraben. Doch neue Erkenntnisse deuten daraufhin, dass es noch eine andere mysteriöse Menschenart gab, die dazu in der Lage war. Sollten die Ergebnisse stimmen, müsste die Evolutionsgeschichte des Menschen neu geschrieben werden.
Der "Homo naledi" ist eine ausgestorbene, dem Homo Sapiens verwandte Menschenart, die vor Hunderttausenden Jahren lebte. Archäologen und Paläoanthropologen fanden die Begräbnisspuren in einer Höhle in Südafrika. Die mutmaßlichen Gräber sollen 100.000 Jahre älter sein als das älteste bisher bekannte menschliche Begräbnis. Zudem sollen die Urmenschen auch Symbole in die Felswände geritzt haben. Das traute man ihnen bisher nicht zu. Die drei Studien der von der "National Geographic Society" gesponserten Forschung wurden am Montag vom Paläoanthropologen Lee Berger in New York auf einer Konferenz vorgestellt.
Der Homo naledi ist mit einer Größe von 1,5 Metern deutlich kleiner als der moderne Mensch. Sein Gehirn ist nur etwa ein Drittel so groß wie das des Homo sapiens. Die Welt erfuhr erst 2015 von der Existenz des Homo naledi. Archäologen hatten die Überreste mehrerer Exemplare in dem Höhlensystem in Südafrika entdeckt und als eigene Menschenart klassifiziert. Die Knochen werden auf ein Alter zwischen 335.000 und 241.000 Jahre geschätzt, einer Zeit in der sich wohl auch die ersten Homo sapiens in Arika entwickelten.
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Homo nadeli: Überraschende Begräbnispraxis unseres Verwandten
In der der letzten Kammer des sogenannten "Rising Star"- Höhlensystems fanden die Archäologen 1800 Knochenfragmente, die von mehreren Homo nadeli stammen. Die Knochenfragmenten wurden in kleinen Gruben entdeckt, die wohl bewusst von den Mitgliedern der Gruppe gegraben worden sind und nicht zur Geologie der Höhle passen. Die Kammer war nur durch kleinste Öffnungen mit der restlichen Höhle verbunden, sodass die Forscher nur unter größter Anstrengung die Gräber erreichen konnte.
Das Forscherteam um den Paläoanthropologen Berger geht wegen der ungewöhnlichen Lage davon aus, dass es sich um einen absichtlichen Begräbnisort handeln müsse. Die Unversehrtheit der Skelette deute ebenfalls daraufhin, dass es sich um vorsichtig abgelegte Verstorbene der Homo naledi handelt.
Viele Wissenschaftler schlossen bisher aus, dass eine Menschenart mit so kleinem Gehirn zu Begräbnissen in der Lage war. Es wurde angenommen, dass entweder Raubtiere die Knochen in die Höhle schleppten oder die Überreste von Wasser in die Kammer gespült wurden. Allerdings fanden sich nach Angaben des Forschungsteams weder Bissspuren an den Knochen, noch Anzeichen für eine Flut in der Höhle.
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Symbole an der Felsenwand: Kunst der Homo naledi ?
Die Forscher untersuchten außerdem mysteriöse Gravuren an einer Felswand der Höhle. Bei den abstrakten Formen und Mustern soll es sich um keine zufälligen Einkerbungen handeln. Die Felswand wurde demnach mit einer Substanz bestrichen. Außerdem gebe es Spuren davon, dass die Gravuren im Laufe der Zeit überarbeitet oder entfernt worden sind.
Laut dem Forschungsteam lassen die Begräbnisspuren sowie die Symbole an einer lange angenommen These zweifeln. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass je größer das Gehirn der Menschenarten wurde, desto komplexer das Verhalten der Menschen wurde. Dazu gehören Kulturpraktiken wie Feuer machen, Werkzeuge herstellen oder eine Symbolik entwickeln. Mit seinem kleinen Gehirn gebe der Homo naledi deshalb Anlass, diese Theorie zu überdenken. (os)
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