Sotschi/Paris. Mitglieder des Armeechors Alexandrow sterben bei Absturz über Schwarzem Meer. Mireille Mathieu trauert, Baschar al-Assad kondoliert.
Beim Absturz eines russischen Flugzeugs auf dem Weg nach Syrien sind 92 Menschen ums Leben gekommen. Die Maschine vom Typ Tupolew Tu-154 ging Sonntagmorgen über dem Schwarzen Meer verloren. An Bord waren 64 Sänger und Tänzer vom Alexandrow-Armeechor, wie das russische Verteidigungsministerium mitteilte. Der Armeechor sollte nach Syrien fliegen, um auf der russischen Luftwaffenbasis bei Latakia ein Konzert zu geben. Auch der Chorleiter, Generalleutnant Waleri Chilalow, starb. Es sei noch zu früh, etwas zur Ursache zu sagen, sagte Transportminister Maxim Sokolow abends.
Präsident Wladimir Putin ordnete für Montag Staatstrauer an. Ministerpräsident Dmitri Medwedew sprach von einer „fürchterlichen Katastrophe“, wie die Agentur Interfax meldete. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach Putin nach dem Unglück ihr Mitgefühl aus, wie die Regierung in Berlin mitteilte.
3000 Rettungskräfte im Einsatz
Die Maschine aus Moskau hatte in Sotschi eine Zwischenlandung eingelegt und war nach Militärangaben um 5.25 Uhr Ortszeit (3.25 Uhr MEZ) wieder gestartet. Zwei Minuten später sei der Kontakt abgerissen. Neben den Musikern seien acht Mann Besatzung, neun Fernsehjournalisten der Sender NTW, Erster Kanal und Swesda sowie Militärs und Beamte an Bord gewesen.
Das Verteidigungsministerium korrigierte die Zahl der Opfer mehrfach und sprach nachmittags von 92 Toten. Etwa 3000 Rettungsleute auf 27 Schiffen suchten die Küste vor dem Ferienort Sotschi ab. Bis zum Sonntagnachmittag wurden zwölf Leichen geborgen. Die Flugschreiber seien noch nicht geortet worden, sagte Minister Sokolow.
Mögliche technische Probleme im Steilflug
Nicht genannte Behördenvertreter sprachen von möglichen technischen Problemen im Steigflug. Routinemäßig gingen Ermittler auch dem Verdacht auf einen Anschlag nach. Die Maschine setzte den Angaben nach kein Notsignal ab. Die Trümmer verteilten sich auf dem Wasser über mehrere Kilometer. Sokolow erklärte das mit starker Strömung. Ende Oktober 2015 war ein russisches Touristenflugzeug mit 224 Menschen über der ägyptischen Sinai-Halbinsel gesprengt worden.
Russland kämpft seit Herbst 2015 im Syrien-Krieg aufseiten des Präsidenten Baschar al-Assad. Die militärischen Verluste waren dabei nach offiziellen Angaben begrenzt. Zur Versorgung der Basis Hamaimim betreibt das Verteidigungsministerium einen regen Luftverkehr. Dabei werden auch Zivilflugzeuge wie die 1983 gebaute Tupolew eingesetzt.
Assad kondoliert Putin
Anfang Mai hatte das russische Militär den Stardirigenten Waleri Gergijew und sein Orchester zu einem Konzert in die syrische Wüstenstadt Palmyra geflogen. In russischen Medien wurde gemutmaßt, dass der Chor ein Konzert in Aleppo geplant haben könnte. Eine zweite Maschine mit weiteren Musikern sei planmäßig in Hamaimim gelandet, berichtete die Zeitung „Nowaja Gaseta“.
Die Tragödie werde nichts am russischen Verhältnis zu Syrien ändern, sagte der Vorsitzende des Außenausschusses im Parlament, Leonid Sluzki. „Die Beziehungen zu Syrien sind und bleiben sehr eng, auch im Rahmen der gemeinsamen Operation, den internationalen Terror vom Gebiet des Landes zu vertreiben“, sagte er.
Russlands Verbündeter Assad sprach Putin sein Beileid aus. Der Absturz des Flugzeugs, das „gute Freunde“ an Bord hatte, habe große Trauer hervorgerufen, schrieb Assad der staatlichen Nachrichtenagentur Sana zufolge.
Chor will Tournee durchziehen
Das Alexandrow-Ensemble hat eine reiche Tradition als Soldatenchor der sowjetischen und russischen Armee. Gegründet wurde der Chor 1928 von Alexander Alexandrow (1883-1946), der auch die Nationalhymne der Sowjetunion komponierte. Das Repertoire umfasst etwa 2000 Werke, zu denen orthodoxe Kirchenlieder, russische Volkslieder, Märsche, aber auch Meisterwerke der Popmusik zählen.
Eine im Frühjahr geplante Tournee durch mehrere europäische Länder werde trotz des Unglücks nicht abgesagt, sagte der Europa-Manager des Alexandrow-Ensembles, Rudolf Héger, der tschechischen Nachrichtenagentur CTK. Es könne jedoch zu Terminänderungen kommen.
Mireille Mathieu tief bestürzt
Auch die französische Sängerin Mireille Mathieu, die seit Jahrzehnten immer wieder mit russischen Armee-Chören auftritt, zeigte sich nach dem Absturz des russischen Militärflugzeugs tief bestürzt. "Das ist eine riesige Trägodie“, sagte die 70-Jährige am Sonntag der französischen Nachrichtenagentur AFP.
Die Welt der Musik sei in Trauer, sagte Mathieu, die in Deutschland auch als der „Spatz von Avignon“ bekannt ist. „Seit mehr als einem Jahrhundert sind diese Stimmen ein Juwel Russlands.“ Sie sei zum ersten Mal 1967 bei ihrer ersten Russland-Tournee vom Alexandrow-Chor begleitet worden, sagte die Sängerin.