Berlin. Der Krankenpfleger arbeitete für eine prominente Reederei. Er versetzte Patienten sogar in Narkose.

Vermutlich glaubte Denny H. irgendwann selber, ein Arzt zu sein. Er war unglaublich überzeugend und schien an seinem Können keine Zweifel zu haben. Kollegen beschieden ihm große Kompetenz. Es kam dann doch alles raus: Weil er seinen Vornamen nicht mochte und für einen neuen Arztausweis einen anderen erfand: Cato. Das fiel einem Mitarbeiter der Ärztekammer auf.

Seit Donnerstag muss sich Denny H. alias Dr. med. Cato H. vor einer Berliner Strafkammer wegen Missbrauchs von Titeln, Urkundenfälschung und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Er hat als vermeintlicher Arzt als Koordinator bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation gearbeitet, als Dozent an der Charité, als Anästhesist bei einem befreundeten Belegarzt in Berlin und als Schiffsarzt auf der Aida Vita. Und nirgendwo wurde bemerkt, dass er kein Arzt war.

Denny H. ist 41 Jahre alt, etwa 1,70 Meter groß, schlank, spricht mit leichtem Akzent, der seine sachsen-anhaltinische Herkunft verrät. „Ich wollte schon mit neun Jahren Medizinmann werden“, heißt es in seiner Erklärung. Er habe damals die Bücher von Karl May, in denen ja immer wieder Medizinmänner vorgekommen seien, „förmlich verschlungen“. Sein Vater habe ihn darin bestärkt und ihm „viel über die heilende Wirkung von Pflanzen erzählt. Doch dann gab es die Scheidung seiner Eltern und wenig später den Stiefvater, der ihn nicht mochte und ihm auch spöttisch zu verstehen gegeben habe, dass er das Abitur nicht schaffen werde.

Unterlagen für Fälschungen fand Denny H. im Internet

Denny H. schaffte es tatsächlich nicht, konnte also nicht Medizin studieren, dafür aber immerhin Krankenpfleger werden. Offenkundig auch ein guter. Immerhin wurde er seit 1999, gleich nach dem bestandenen Examen, auf der Intensivstation des Johanniter-Krankenhauses Genthin-Stendal eingesetzt. Hier arbeitete er zehn Jahre lang.

Was Motiv für seine Hochstapeleien war, hat Denny H. auch in mehr als sieben Monaten Untersuchungshaft für sich selbst nicht restlos klären können. Er bietet dem Gericht gleich drei Varianten an. So soll ihn die zunehmende Verschlechterung der Zustände auf der Intensivstation, wo es nur noch um Maximierung der Einkünfte für das Krankenhaus gegangen sei, gequält haben. Darum sein Plan, selber Arzt zu werden und es besser zu machen.

Auch Variante zwei setzt auf Altruismus: Er habe bei einer mehrwöchigen Privatreise durch Südostasien die Landbevölkerung medizinisch versorgt – genauer erklärt er das nicht. Dabei sei ihm die Idee gekommen, sich als Arzt auszugeben: „Ich wollte Menschen helfen und wusste, dass ich fachlich gut bin.“ Immerhin besitze er rund 1000 medizinische Bücher und habe sich permanent weitergebildet.

Eine große Portion Geltungsbedürfnis

Am plausibelsten erscheint jedoch Variante drei. Denny H. verguckte sich in eine Berlinerin, mit der er auch heute noch liiert ist. Vermutlich um seine Chancen zu steigern, erzählt er ihr, dass er „Intensivmediziner“ sei. Auf Nachfrage des Richters, ob er das damals wirklich so abstrakt gesagt habe, wird er konkreter: „Ja, ich habe mich als Arzt ausgegeben.“ Ob nun genau diese Frau der konkrete Anlass war, blieb offen. Vermutlich spielte aber eine große Portion Geltungsbedürfnis mit.

Es ist Denny H. peinlich, als er dem Gericht beschreiben muss, wie er die Unterlagen fälschte. Vorlagen für die Approbation und den Arztausweis fand er im Internet. Er druckte sie aus, setzte seinen Namen ein und scannte sie wieder ein. Den Titel für die Promotionsurkunde übernahm er von der Dissertation eines Doktoranden der Universität Magdeburg: „Das Krankheitsbild der Sepsis unter besonderer Berücksichtigung der Hämodynamik“. Hinzu kam ein Stempel: „beglaubigte Kopie“. Er stammte vom Bürgeramt Pankow, wo sich Denny H. einen Ersatz für seinen Personalausweis bestätigen ließ und die günstige Vorlage sofort erkannte.

Überschwänglich von Chefärzten gelobt

Erste Station als Arzt war dann die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) Region Nord-Ost, ansässig in Berlin. In Denny H.s Erklärung ist wenig von Reue herauszuhören, dafür aber viel Begeisterung von den eigenen Erfolgen: Wie er alles neu organisierte, Vorträge hielt, „hohe Wertschätzung“ von Chefärzten erfuhr. In einer Abschlussbeurteilung des DSO wird er auch geradezu überschwänglich gelobt.

Warum er vom DSO nach dreieinhalb Jahren fristlos gekündigt wurde, wird am ersten Prozesstag nicht recht klar. Es fallen Worte wie „Arbeitszeitbetrug“ und „Dokumentendiebstahl“. Berichtet wurde auch, dass Denny H. vorgeworfen wurde, er habe einen Kollegen mit Atropin vergiften wollen. Denny H. bestreitet das, hatte beim Arbeitsgericht wegen Mobbings und unberechtigter Vorwürfe sogar geklagt und 39.000 Euro Schadensersatz gefordert. Die Klage wurde allerdings abgewiesen.

„Haben Sie da nicht Muffensausen gehabt?“

Die erste Stelle beim DSO will Denny H. noch angenommen haben, weil er „ja „nicht direkt mit Patienten zu tun hatte“. Das sei als Anästhesist in einer Belegarztpraxis und als Schiffsarzt ja nun doch anders gewesen, hält ihm der Richter vor. Gerade auf dem Schiff mit den vielen Passagieren, unter den sich ja auch Kinder befanden. „Haben Sie da nicht Muffensausen gehabt? Da kann doch vieles passieren und man kommt schnell an seine Grenzen.“ Worauf Denny H. erwidert, dass er „anfangs schon Bedenken hatte“. Aber es sei ja stets ein zweiter Arzt auf dem Schiff gewesen. Und schwer erkrankte Patienten würden sofort an Land gebracht.

Es war dann auch kein ärztlicher Fehler der Grund dafür, dass Denny H. alias Dr. med. Cato im November letzten Jahres zum Kapitän der Aida Vita gerufen wurde. Das Schiff fuhr gerade in der Karibik. Denny H. wurde mitgeteilt, dass es Unstimmigkeiten wegen seiner Papiere gebe. Der Kapitän glaubte zu diesem Zeitpunkt noch an einen Irrtum und tröstete seinen Schiffsarzt, dass sich alles klären werde. Ein paar Tage später wurde Denny H. auf dem Flughafen in Berlin-Tegel festgenommen.