Die Menschenrechtsorganisation will sich gegen Strafen für käuflichen Sex einsetzen - zum Schutz der Frauen. Nun hagelt es Kritik.
Dublin. Amnesty International hat einen umstrittenen Beschluss zum Umgang mit Prostitution getroffen. Die Menschenrechtsorganisation will sich künftig für die Entkriminalisierung der Prostitution weltweit einsetzen. Das beschlossen Delegierte aus aller Welt am Dienstag in Dublin beim International Council Meeting (ICM) von Amnesty. Das Treffen ist eine Art Hauptversammlung der Internationalen Bewegung von Amnesty. Es legt die Grundlinien der Menschenrechtspolitik der Organisation fest.
Mit dem Beschluss von Dublin ist die internationale Führung von Amnesty befugt, eine entsprechende Politik zu dem Thema zu entwickeln. „Prostituierte sind eine der am meisten vernachlässigten Gruppen in der Welt, die in den meisten Fällen ständig dem Risiko von Diskriminierung, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind“, sagte Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty. „Unsere weltweite Bewegung ebnete den Weg, dass wir eine Politik verfolgen können, die den Schutz der Menschenrechte von Prostituierten fordert.“
Die Entscheidung war im Vorfeld von prominenten Frauen wie Meryl Streep und Kate Winslet kritisiert worden. Die Entkriminalisierung von Prostitution öffne der Ausbeutung von Frauen Tür und Tor. Tausende Menschen unterstützten einen Aufruf an Amnesty, auf den nunmehr vollzogenen Schritt zu verzichten. Amnesty selbst wies darauf hin, man habe vor dem Beschluss zahlreiche Betroffene angehört.
Emma fragt: „Geht’s noch?“
Die Verfasser des Briefes hatten „tiefe Besorgnis“ über die Beschlussvorlage geäußert. Amnestys Ruf würde irreparabel befleckt, heißt es in dem Brief, „wenn es eine Politik annehmen sollte, die Partei ergreift für Käufer von Sex, Zuhälter und andere Ausbeuter, anstatt für die Ausgebeuteten“. Zu den Unterzeichnern gehört neben Aktivisten, Politikern und Prominenten aus verschiedenen Ländern auch die deutsche Zeitschrift „Emma“.
„Geht’s noch?“, fragte das Frauenmagazin am Mittwoch auf Twitter. Die „Emma“-Redaktion um Deutschlands bekannteste Feministin Alice Schwarzer veröffentlichte auch einen Artikel als Reaktion auf den neuen Kurs: „Amnesty will Zuhälter schützen“, heißt es darin. Die Organisation habe „endgültig jede Glaubwürdigkeit verloren“. Sie wolle „ausgerechnet diejenigen, die Milliarden an dem Handel mit Frauen verdienen, vor Bestrafung schützen“.
Die Hilfsorganisation Solwodi, die für Opfer von Zwangsprostitution eintritt, übte ebenfalls scharfe Kritik. „Amnesty stellt sich auf die Seite von Zuhältern und Menschenhändlern“, sagte die Gründerin und Frauenrechtlerin Lea Ackermann der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Unterstützung gab es indes vom Deutschen Frauenrat: Der Beschluss sei eine Stärkung für die Frauenrechte, sagte die stellvertretende Vorsitzende Susanne Kahl-Passoth. Johanna Weber, politische Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen, sagte: „Wir brauchen mehr Rechte, denn das ist unser Schutz, und keine Verbote.“