Madrid/Palma de Mallorca. Die spanischen Tourismus-Hochburgen könnten bald Urlauber wieder nach Hause schicken. Es wird über ein Besucher-Limit nachgedacht.
Diese Nachricht traf nicht nur viele Ballermann-Urlauber völlig unvorbereitet: Die Aussagen, die Biel Barceló in Palma de Mallorca machte, schlugen im 600 Kilometer entfernten Madrid wie eine Bombe ein. Der stellvertretende Ministerpräsident der Regionalregierung der Balearen schloss am Montagabend nicht aus, dass man in Zukunft für die Inseln Mallorca, Ibiza, Formentera und Menorca ein Touristen-Limit für die Sommermonate beschließen könne.
Die neue linke Regierung in Palma würde damit dem Beispiel der Machthaber auf den Kanaren folgen, die diese Woche konkrete Pläne für eine Begrenzung der Touristenzahlen bekanntgaben.
Zu allem Übel hatte der für Wirtschaft zuständige Stadtrat der neuen linken Stadtverwaltung von Madrid, Carlos Sánchez, am Montagabend bekanntgegeben, dass man die Einführung einer Touristenabgabe erwäge. Eine Abgabe, wie sie auch die Regierung der Balearen für Malle & Co. beschließen will.
Da standen sogar dem überhaupt nicht zuständigen Justizminister der Zentralregierung, Rafael Catalá, am Dienstag die Haare zu Berge. „Das wäre eine Tragödie!“, rief er speziell auf die Touristenabgabe in Madrid angesprochen. Es sei so, als „würde man sich selber in den Fuß schießen“ wenn es um Wettbewerbsfähigkeit gehe.
„Extreme Vorsicht“ im Tourismus
Auch Ministerpräsident Mariano Rajoy ging mit Blick auf die vielen Initiativen linker Regionalregierungen auf die Barrikaden. Im Bereich des Tourismus müsse man mit „extremer Vorsicht“ handeln, warnte er.
Kein Wunder: Der Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt Spaniens beträgt gute elf Prozent. Der Sektor beschäftigt zwei Millionen Menschen. Und gerade die Arbeitslosigkeit von 23 Prozent - eine der höchsten Quoten der Europäischen Union - bereiten Rajoys Volkspartei (PP) vor den Parlamentswahlen Ende des Jahres große Sorgen.
Es geht nicht nur um Pläne und leere „Drohungen“. Das zeigt das Beispiel Barcelona. Die neue linke Bürgermeisterin Ada Colau hat erst vor wenigen Tagen für die Mittelmeermetropole ein einjähriges Moratorium für die Neuzulassung von Hotels und anderen Unterkünften erlassen. „Es ist unbedingt nötig, Ordnung zu schaffen“, rechtfertigte dies die 41-jährige frühere Menschenrechtsaktivistin.
Vor allem im früheren Arbeiter- und Fischerviertel Barceloneta hatten Bewohner im vorigen Jahr gegen den Zustrom von Partytouristen protestiert. Betrunkene sollen dort zum Teil nackt auf den Straßen herumgepöbelt haben. Die Bewohner beklagten auch Preissteigerungen, die ärmere Einwohner verdränge.
Jährlich 14 Millionen Euro
Auch auf Mallorca werden die Besucher in den Sommermonaten immer mehr - auch wenn es noch keine Proteste der Bevölkerung gibt. Nach offiziellen Zahlen kommen 80 Prozent der 14 Millionen Touristen, die die Balearen jährlich besuchen, im Sommer auf die Mittelmeerinseln Mallorca, Ibiza, Menorca und Formentera.
Alle seien sich darüber im Klaren, dass in der Hauptsaison die Aufnahmekapazität der Balearen „total erschöpft“ sei, sagte Barceló. Es gebe aber viel Spielraum, um den Tourismus außerhalb der Sommermonate wachsen zu lassen, sagte der in erster Linie für Fremdenverkehr und Wirtschaft zuständige Politiker.
Auf den Kanaren hat bereits Regierungschef Fernando Clavijo vom nationalistischen Parteienverband Coalición Canaria zuvor eine Begrenzung der Touristenzahlen angekündigt. Dort sorgen 13 Millionen Touristen jährlich immerhin für 30 Prozent des regionalen BIP.
Besucher, die „die Umwelt respektieren“
Auf eine bestimmte Sorte Besucher legt Clavijo weniger Wert: „Es nützt nichts, wenn 20 Millionen kommen, aber alle ein „All-Inclusive-Paket“ haben“, sagte er in einem Interview der Zeitung „El País“. Man wolle ein Touristen-Limit und vor allem Besucher, die „die Umwelt respektieren“ und „auch Geld hier lassen“.
Für die Hauptstadt gab es unterdessen Entwarnung. Bürgermeisterin Manuela Carmena ging das Vorpreschen ihres Wirtschaftsstadtrats zu weit. Sie sagte, Madrid führe vorerst keine Touristenabgabe ein.