Pamplona/Madrid. Im nordspanischen Pamplona werden heute wieder Kampfbullen durch die Gassen gejagt. Wieder viele ausländische Touristen erwartet.

Eine Rakete um 12 Uhr mittags gibt das Startsignal zum wildesten Fest Spaniens: Zehntausende Menschen bejubeln vor dem Rathaus von Pamplona den Schuss in den Himmel mit dem Schlachtruf: „Es lebe San Fermín.“ Der Hochruf gilt dem Stadtheiligen, zu dessen Ehren dieses achttägige Volksfest gefeiert wird. Höhepunkt dieser Fiesta sind die Stiertreiben, bei denen von heute an jeden Morgen sechs Kampfbullen in den Altstadtgassen losgelassen werden.

Der Rathausplatz gleicht einem rotweißen und wogenden Meer. Die meisten Feiernden kommen in traditioneller Kleidung, die aus weißen T-Shirts, weißen Hosen und einem um den Hals geschlungenen roten Tuch besteht. Sie singen, tanzen und übergießen sich mit Rotwein. Der erste Tag des San-Fermín-Festes ist vor allem eine große Party. Vom zweiten Tag an, wenn morgens die Stiere durch die Stadt donnern, wird es ernst. Es gibt immer Verletzte, manchmal auch Tote.

Am Tag vor der Eröffnung dieses Spektakels hatten noch Tierschützer vor der Arena gegen die „Misshandlung und Ermordung“ der Stiere protestiert. „Wir sind nicht gegen das Fest, sondern gegen die Grausamkeit, die Folter und gegen den Tod von unschuldigen Tieren“, sagt Aída Gascón, Sprecherin der Tierschutz-Organisation AnimaNaturalis. Die Stiere werden über eine 850 Meter lange Strecke durch die Stadt bis zur Arena getrieben, wo sie dann abends von Toreros getötet werden.

Die Stiertreiben in Pamplona ziehen Hunderttausende Besucher an, darunter viele ausländische Touristen aus englischsprachigen Ländern. Der US-amerikanische Schriftsteller und Nobelpreisträger Ernest Hemingway verewigte dieses Stierfest in seinem 1926 veröffentlichten Roman „Fiesta“, und machte es dadurch im englischsprachigen Raum populär. Das Volksfest entstand aus der jahrhundertealten Tradition des Viehabtriebs, bei dem die Rinder von den Weiden durchs Dorf und in die Ställe gebracht wurden.

In der nordspanischen Stadt Pamplona, in der etwa 200.000 Einwohner leben, lässt dieses zunehmend umstrittene Fest die Kassen klingeln. Jeder Besucher gibt etwa 100 Euro am Tag aus. Die Bars, Restaurants und Hotels sind voll. Viele Bewohner, deren Wohnungen an jenen Gassen liegen, durch welche die Stiere rennen, vermieten Fenster- und Balkonplätze für bis zu 80 Euro.

Obwohl es für die Stiertreiben strenge Regeln gibt, welche Unfälle vermeiden helfen sollen, kommt es immer wieder zu Horrorszenen: Vor allem, weil viel zu viele Menschen mit den Stieren um die Wette rennen. Und durch Schubsen, Stolpern und Leichtsinn Unglücke provozieren. Knapp 3000 „mozos“, wie die Läufer heißen, riskieren bei jedem der insgesamt acht Rennen, in denen sie möglichst nah vor den Bullen rennen wollen, ihr Leben. Jedes Jahr werden hunderte Menschen verletzt. Den letzten Toten gab es vor sechs Jahren, als ein Stier einem jungen Spanier mit einem Horn den Hals durchbohrte.

In immer mehr spanischen Orten werden Stierkämpfe und Stiertreiben verboten, etwa in den Touristenstädten Palma auf Mallorca und in Gandia an der Costa Blanca. In Katalonien und auf den Kanarischen Inseln dürfen schon keine Kämpfe mehr stattfinden.

„Stiere zum Vergnügen zu quälen, gehört ins Mittelalter, nicht ins 21. Jahrhundert“, prangt auf Protestplakaten, mit denen sich Tierfreunde vor Kampfplätzen aufbauen. Demonstrationen gegen die „Folterfeste“, wie Tierschützer sie nennen, sind inzwischen allerorten an der Tagesordnung. „Die Straßen von Pamplona sind mit Stierblut befleckt“, riefen Demonstranten, die sich dort am Wochenende symbolisch mit roter Farbe übergossen.