Baltimore . Ein Mitgefangener behauptet, Freddie Gray habe sich selbst verletzt. Proteste erfassen weitere US-Metropolen, über 100 Festnahmen in New York.
Mehr als zwei Wochen nach der Festnahme eines später gestorbenen Afroamerikaners in Baltimore soll ein Bericht die Umstände klären helfen. An die Untersuchung der Polizei knüpfen sich Hoffnungen vieler Demonstranten, endlich zu erfahren, auf welche Weise der 25-jährige Freddie Gray eine Rückenmarkverletzung erlitt. Der Bericht soll nach Medienberichten Freitag der Staatsanwaltschaft übergeben werden. Laut der "Washington Post" behauptete jetzt ein Mitgefangener, Freddie Gray habe sich selbst verletzt. Unterdessen sprangen die Proteste gegen Polizeigewalt von der Ostküstenstadt Baltimore auch auf andere US-Städte über.
In New York, Boston und Washington forderten Tausende Menschen am Mittwoch bei Kundgebungen Aufklärung. In New York wurden bei Protesten mehr als 100 Menschen festgenommen. Dort versammelten sich am Mittwochabend Hunderte am Union Square in Manhattan. Die Protestierenden riefen „Keine Gerechtigkeit, kein Frieden“ und auch den Slogan „Hände hoch, nicht schießen“, der an die tödlichen Polizeischüsse auf das Ferguson-Opfer Brown erinnert. Dieser hatte vor seinem Tod laut Augenzeugen die Hände gehoben.In Baltimore marschierten Demonstranten trotz Ausgangssperre und Einsatz der Nationalgarde durch das Stadtzentrum und forderten sofortige Gerechtigkeit im Fall Freddie Gray.
Die Kundgebungen richten sich gegen die vermutete Beteiligung von Beamten an dem Tod des 25-Jährigen, der sich in Polizeigewahrsam eine Wirbelsäulenverletzung zuzog und am 19. April daran starb. In den vergangenen Monaten hatte es bereits in den USA Kundgebungen wegen Polizeigewalt gegen Dunkelhäutige und Minderheiten gegeben. Anlass waren unter anderem die tödlichen Polizeischüsse auf den unbewaffneten 18-Jährigen Michael Brown in der Kleinstadt Ferguson und der Erstickungstod des New Yorkers Eric Garner.
In Baltimore sind sechs Polizisten wegen des Todes von Gray vom Dienst suspendiert worden. Dort war es wegen des Todesfalls in der Nacht zu Dienstag zu schweren Ausschreitungen gekommen. Anschließend wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Sie soll eine Woche lang von 22.00 bis 5.00 Ortszeit (4.00 bis 11.00 Uhr MESZ) dauern. Zudem hatten die Behörden den Ausnahmezustand verhängt und die Nationalgarde in die Stadt geschickt.
Hat Freddie Gray sich selbst verletzt?
Unterdessen behauptet ein am gleichen Tag festgenommener Mann, dass Freddie Gray versucht haben könnte, sich selbst zu verletzen. Wie die Zeitung „Washington Post“ berichtete, saß der Mann im selben Gefangenentransporter wie Gray. Er behauptet, der 25-Jährige habe sich wiederholt gegen die Wände des Fahrzeugs geworfen. Dies habe der Mann jedoch nur mithören können, da das Fahrzeug mit Metallwänden unterteilt ist. Ob die Angaben des Mannes durch Dritte bestätigt werden können, sei unklar. Grays Familie wies die Behauptungen durch einen Anwalt zurück.
Am Mittwochabend hatten erneut Tausende Menschen in Baltimore friedlich gegen Polizeigewalt demonstriert. Medienberichten zufolge standen rund 2000 Soldaten der Nationalgarde und rund 1000 zusätzliche Polizisten bereit, um für Ordnung zu sorgen. Aus Angst vor Ausschreitungen wurde ein Baseball-Spiel der Baltimore Orioles vor leeren Rängen abgehalten. Nach Beginn der Ausgangssperre waren nur noch wenige Menschen unterwegs.
Die meisten Proteste blieben am Mittwoch friedlich. In Baltimore wurden 16 Personen festgenommen, die Polizei wegen der Ausgangssperre die Straßen. Auch in Boston versammelten sich am Mittwochabend Hunderte in einem Park hinter der Polizeizentrale und marschierten friedlich durch den Stadtteil Roxbury. Im Zentrum von Indianapolis marschierten mehr als zwei Dutzend Menschen durch die Stadt.
Proteste auch in Ferguson
Die Proteste gegen Polizeigewalt kehrten auch in die US-Kleinstadt Ferguson zurück. In der Nacht zu Donnerstag marschierten Dutzende Menschen im Vorort von St. Louis, um gegen den Tod von Gray zu demonstrieren, wie die Zeitung „The St. Louis Post-Dispatch“ berichtete. In der Nacht zu Mittwoch war es bereits zu Plünderungen, Bränden und Schüssen gekommen. In Philadelphia wollten Demonstranten am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) eine Kundgebung „Philly ist Baltimore“ durchführen.
Am Montag hatte es bei den Protesten in Baltimore erstmals Ausschreitungen gegeben. Fast 150 Autos brannten, Geschäfte wurden geplündert, 20 Polizisten verletzt und 234 Personen festgenommen. Rund 3000 Polizisten und Gardisten sind in der Stadt, um ähnliche Szenen zu verhindern. Trotz der Ausgangssperre, die in der Nacht zum Mittwoch erstmals zwischen 22 Uhr und fünf Uhr galt, war es erneut zu Unruhen gekommen. (dpa/afp)