Boston . Anklage stellt Marathon-Attentäter als Terroristen dar. Eine Verurteilung gilt als sicher. Dem Bostoner Bombenleger droht die Todesstrafe.
Im Prozess um den Anschlag auf den Bostoner Marathonlauf vor zwei Jahren beraten die Geschworenen über die Schuld des mutmaßlichen Bombenlegers Dschochar Zarnajew. Die sieben Frauen und fünf Männer in der Jury zogen sich am Dienstag zurück, um über die 30 Anklagepunkte gegen den 21-Jährigen zu entscheiden. 17 davon können in der nächsten Phase des Verfahrens mit der Todesstrafe geahndet werden.
Die Staatsanwaltschaft stellte den mutmaßlichen Attentäter in ihrem Schlussplädoyer am Montag als islamistischen Terroristen dar. „Er wollte dieses Land terrorisieren. Er wollte Amerika bestrafen“, sagte Staatsanwalt Aloke Chakravarty. Die Verteidigung streitet Zarnajews Mitschuld an dem Tod von drei Zuschauern und der Verletzung von 260 weiteren nicht ab. Sie betonte aber, dass die Hauptschuld bei Zarnajews älterem Bruder Tamerlan liege.
Bei dem Bombenanschlag am 15. April 2013 waren drei Menschen getötet und mehr als 260 Menschen verletzt worden. Auf seiner Flucht soll das Bruderpaar zudem einen Polizisten erschossen haben. Der damals 19-jährige Dschochar wurde vier Tage nach dem Anschlag schwer verletzt in einem Vorort von Boston festgenommen, der sieben Jahre ältere Tamerlan kam bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei ums Leben. Die Brüder stammen aus einer tschetschenischen Familie und waren als Kinder in die Vereinigten Staaten eingewandert.
„Nichts an diesem Tag war eine Wendung des Schicksals“, sagte Chakravarty über den 15. April 2013. „Das war eine kalte, kalkulierte terroristische Tat.“ Dschochar und Tamerlan Zarnajew hätten sich als „Mudschahedin“ gefühlt, die ihren Kampf nach Boston getragen hätten. Der Staatsanwalt zeigte den Geschworenen Fotos und Videos vom Tatort, um ihnen das Chaos und die Panik nach der Explosion vor Augen zu führen. Er beschrieb auch detailliert den Tod eines achtjährigen Jungen, dessen Körper durch die Explosion in Stücke gerissen worden sei.
Chakravarty las außerdem eine Botschaft vor, die Dschochar kurz vor seiner Festnahme an die Innenseite eines trockengelegten Bootes gekritzelt haben soll. Darin warf der junge Mann der US-Regierung die Tötung von Muslimen im Irak und in Afghanistan vor. „Am Ende hat er getan, was Terroristen tun“, sagte der Staatsanwalt. „Er wollte der Welt sagen, warum er es getan hat. Er wollte die Tat für sich beanspruchen.“
Verurteilung gilt als sicher
Zarnajew verfolgte die Ausführungen der Staatsanwaltschaft weitgehend regungslos. Der Angeklagte hatte formal auf nicht schuldig plädiert, seine Anwältin Judy Clarke räumte die Beteiligung des 21-Jährigen aber ein. „Lasst uns ehrlich damit umgehen, was die Beweise tatsächlich zeigen“, erklärte Clarke. Dschochar Zarnajew sei ein Heranwachsender gewesen, der von der „Leidenschaft und den Einstellungen“ seines älteren Bruders mitgerissen worden sei. „Wir bitten nicht darum, das Verhalten zu entschuldigen. Aber lasst uns die unterschiedlichen Rollen anschauen“, sagte die Anwältin den Geschworenen.
Während der rund einmonatigen Verhandlung hatte Clarke nur vier Zeugen aufgerufen, während auf Seiten der Staatsanwaltschaft 92 Zeugen aussagten. Die Strategie der renommierten Strafverteidigerin zielt offenbar ganz darauf ab, die drohende Todesstrafe für Zarnajew zu verhindern. Clarke hatte bereits mehreren prominenten Angeklagten wie dem als „Unabomber“ bekannt gewordenen Ted Kaczynski und dem Mitverschwörer der Anschläge vom 11. September 2001, Zacarias Moussaoui, die Todesstrafe ersparen können.
Richter George O’Toole verlas am Montag die Anweisungen für die Geschworenen, die ab Dienstag hinter verschlossenen Türen ein Urteil fällen müssen. Eine Verurteilung gilt als nahezu sicher. Über das Strafmaß befinden die Geschworenen aber erst in einem zweiten Prozessabschnitt nach einer Verurteilung. Auf 17 der insgesamt 30 Punkte, in denen Zarnajew angeklagt ist, steht die Todesstrafe. Im Bundesstaat Massachusetts wurde zuletzt im Jahr 1947 ein Todesurteil vollstreckt. (afp/ap)