Immer öfter begehren saudische Frauen gegen die konservativen Regeln im Königreich auf. Sie wollen reisen, studieren und Karriere machen, statt früh zu heiraten. Ein entscheidender Faktor: Bildung.

Dschidda. Amna Fatani weiß, was sie will: Eine brillante Karriere und ein anderes Leben als das, welches saudiarabische Frauen aus der Generation ihrer Mutter führen. Die 27-Jährige studiert an der Georgetown University in Washington und träumt davon, eines Tages Saudi-Arabiens erste Arbeitsministerin zu werden. Keinesfalls will sie früh einen Mann heiraten, den sie dann noch nicht einmal selbst ausgewählt hat.

Was die Rechte von Frauen angeht, so gibt sich Saudi-Arabien widersprüchlich. Zum einen bemüht sich die Regierung mit Erfolg um bessere Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Zum anderen gelten noch immer Gesetze, die Männern das letzte Wort bei vielen persönlichen und sogar existenziellen Entscheidungen der Frauen geben.

So dürfen saudi-arabische Frauen nicht reisen, im Ausland studieren, heiraten oder sich bestimmten medizinischen Behandlungen unterziehen, ohne dass ein männlicher Vormund seine Zustimmung gibt. Meist ist das der Vater oder der Ehemann, aber wenn diese nicht vorhanden sind, kann es auch ein Bruder sein. Traditionell wird in Saudi-Arabien erwartet, dass eine Frau Anfang 20 heiratet. Doch nach Zahlen der Regierung waren im Jahr 2011 rund 1,5 Millionen Frauen über 30 Jahre noch Single. Das entspricht fast der Hälfte der Frauen dieser Altersgruppe.

Kleriker warnen

Tatsächlich nehmen Frauen in dem Land mittlerweile einen größeren Raum im öffentlichen Leben ein. Laut Arbeitsministerium sind inzwischen mehr als 400.000 von ihnen berufstätig. 2009 waren es noch weniger als 55.000. An den Universitäten des Königreichs gibt es mittlerweile sogar schon mehr Studentinnen als Studenten.

Die Bildung ändert auch die Einstellung der Frauen gegenüber der Ehe und macht sie selbstbewusster, wie Hatun al-Fassi sagt, eine Professorin für die Geschichte der Frauen in Saudi-Arabien. „Man kann diese Einstellungen nicht mehr länger kontrollieren“, fügt sie an. Die muslimischen Kleriker sind von solchen Zahlen und Entwicklungen alarmiert. Sie warnen vor den Konsequenzen der Ehelosigkeit, etwa außerehelichem Geschlechtsverkehr, sehen gar die Gesellschaft als Ganzes bedroht.

Die strenge Auslegung des Islams in Saudi-Arabien sieht eine strikte Geschlechtertrennung vor. Die Sittenpolizei sorgt dafür, dass Frauen und Männer in Restaurants, Einkaufszentren und anderen öffentlichen Orten voneinander abgegrenzt sind.

Das macht es jungen Frauen und Männern schwer, sich kennenzulernen. Es wird erwartet, dass die Familien die Ehen arrangieren. Die Vorstellung, dass eine junge Frau sich selbst einen Mann aussucht, gilt in konservativen Kreisen als skandalös. Die Eltern arrangieren meist eine Schowfa, das bedeutet in etwa „Besichtigung“. Dabei kann der Mann seine potenzielle Braut in ihrem Haus ohne das traditionelle schwarze Kleid und den Gesichtsschleier sehen, die die meisten saudi-arabischen Frauen in der Öffentlichkeit tragen.

SMS und Internet eröffnen neue Möglichkeiten

Doch Berichte über eine geheime Braut- oder gar nur Partnersuche jenseits der Eltern häufen sich. Die junge Generation will die alten Sitten nicht mehr hinnehmen. SMS und vor allem das Internet eröffnen hier völlig neue Möglichkeiten zum KennenleDoch immer mehr Frauen begehren grnen.

Die Bloggerin und Frauenrechtlerin Tamador Aljami sagt, das Internet hänge die Tradition ab. Private Chat-räume und die sozialen Medien hätten den Menschen den Raum gegeben, Partnerschaften nach ihren eigenen Vorstellungen zu führen. Einige Medien haben dagegen die Sorgen der Kleriker aufgenommen. Da wird etwa vor einer „Armee der Junggesellen“ gewarnt. Und ein Autor der Nachrichten-Internetseite „Al-Schark“ sprach gar von einem „Krebsgeschwür“ der Gesellschaft.

Andere machen die Väter der unverheirateten Frauen verantwortlich. Sie würden exorbitante Summen von den potenziellen Ehemännern fordern, um ihre arbeitenden Töchter so bewusst ehelos zu halten, weil sie auf deren Gehalt nicht verzichten wollten.

Doch ein großer Teil der neuen Generation der saudi-arabischen Frauen bleibt aus eigener Entscheidung Single. Studentin Fatani etwa wünscht sich einen Mann, der auch im Ausland gelebt hat und ähnliche Ziele wie sie hat. „Ich will ihn definitiv nicht bei einer Schowfa kennenlernen“, sagt sie. Bevor sie entscheide, ob sie einen Mann heiraten wolle, möchte sie erst Erfahrungen mit ihm machen – „zum Beispiel gemeinsam Lebensmittel einkaufen“, sagt sie.