Ein Polizist in New York hat einen Schwarzen erstickt - auch er wird nicht angeklagt. Bei neuen Protesten wegen Polizeigewalt gab es mehr als hundert Festnahmen.
New York. Nach den Protesten im Zuge des Falls Michael Brown rollt eine zweite Demonstrationswelle wegen Polizeigewalt gegen Schwarze auf die USA heran. Ein Geschworenengericht in New York entschied am Mittwoch, einen weißen Polizisten nicht wegen des Erstickungstods eines 43-jährigen Schwarzen Eric Garner anzuklagen. Bei Demonstrationen im Viertel Staten Island, wo Garner starb, wurden mehr als 100 Menschen festgenommen, wie die Polizei mitteilte. Zwölf Gebäude gingen in Flammen auf. Auch in anderen US-Städten versammelten sich Menschen zum Protest. Das Justizministerium und New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio kündigten Untersuchungen des Vorfalls an.
Es ist bereits der zweite Fall, in dem es keine Strafverfolgung gibt: In Ferguson im Bundesstaat Missouri war es erst vorige Woche zu schweren Krawallen gekommen, nachdem sich eine Geschworenen-Jury gegen eine Anklage gegen einen weißen Polizisten wegen tödlicher Schüsse auf einen unbewaffneten schwarzen Teenager entschied.
De Blasio sprach in Staten Island mit Beamten und Aktivisten. „Das Ergebnis von heute ist eines, das viele in unserer Stadt nicht wollten“, ließ er zuvor in einer Erklärung mitteilen. Die Polizei verstärkte in vielen Teilen New Yorks ihre Bereitschaft.
US-Präsident Barack Obama sagte am Mittwochabend, die Juryentscheidung unterstreiche die Notwendigkeit, das Vertrauen zwischen Gesellschaften und den Vollzugsbehörden zu stärken. US-Justizminister Eric Holder kündigte gleichzeitig eine Bundesermittlung zu Garners Tod an.
„Ich bekomme keine Luft“
Der unbewaffnete Garner war am 17. Juli gestorben, also knapp drei Wochen vor den tödlichen Schüssen eines weißen Polizisten auf Brown in Ferguson. Dieser Fall hatte für landesweite Empörung gesorgt und eine Debatte über Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA ausgelöst.
Der 43-jährige Garner wurde im New Yorker Viertel Staten Island unter dem Verdacht gestoppt, er würde illegale Zigaretten verkaufen. Ein Amateurvideo eines Passanten zeigt, dass Garner sich dagegen wehrte, dass ihm Handschellen angelegt werden. Der Polizist nahm ihn daraufhin in einen Würgegriff, was nach New Yorker Polizeivorschriften verboten ist. Garner ist in dem Video zu hören, wie er keucht: „Ich bekomme keine Luft.“
Auf einem zweiten Video ist zu sehen, dass der Polizist, einige Kollegen und Rettungssanitäter keine Bemühungen unternehmen, um Garner wiederzubeleben, als er bewegungslos auf dem Boden liegt. Er starb später in einem Krankenhaus.
Nach der Entscheidung am Mittwoch reagierten die Menschen in der Nachbarschaft, in der der 43-Jährige getötet wurde, ungläubig und wütend, aber zunächst überwiegend friedlich. Immer wieder riefen sie „Ich bekomme keine Luft“ und in Anlehnung an in Ferguson laut gewordene Rufe „Hände hoch – nicht erwürgen“. In Ferguson hatten Demonstranten „Hände hoch – nicht schießen“ gerufen, weil Brown vor seinem Tod laut Zeugenaussagen die Hände gehoben hatte.
„Keinen angemessenen Grund“, den Polizisten anzuklagen
Auch am Times Square versammelten sich mehr als 200 Menschen. Sie trugen Schilder mit Aufschriften wie „Die Leben von Schwarzen sind von Bedeutung“, „Weiße, wacht auf“ und „Einmal mehr, keine Gerechtigkeit“.
Der Staatsanwalt von Staten Island, Daniel Donovan, sagte, es gebe „keinen angemessenen Grund“, den Polizisten anzuklagen. Anwalt Moore sagte, er sei „verwundert über die Entscheidung“, vor allem angesichts der vorliegenden Beweise wie dem Video und dem Bericht des Gerichtsmediziners.
Garners Stiefvater Benjamin Carr sagte, die Entscheidung des Gerichts ergebe keinen Sinn. „Das ist lediglich die Lizenz zum Töten eines schwarzen Mannes“, sagte Carr. Das US-Justizsystem bezeichnete er als völlig wertlos. Die Familie von Garner kündigte eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem Bürgerrechtler Al Sharpton an.
Der Polizist sagte in seinem ersten Kommentar seit dem Vorfall, er bete für die Familie des Opfers und hoffe, dass sie seine Beileidsbekundungen akzeptiere. Sein Anwalt und Vertreter der Polizeiunion erklärten, er habe kein verbotenes Manöver, sondern einen von der Polizeibehörde beigebrachten Griff angewendet. Die eigentliche Haupttodesursache des Opfers sei sein schlechter gesundheitlicher Zustand gewesen. Laut Gerichtsakten hatte Garner Asthma.