Das Schicksal der Studentin, die nach einer Prügelattacke starb, bewegt das Land. Ein Spieler von Eintracht Frankfurt widmete ihr seinen Torjubel. Bundespräsident Gauck denkt über einen Orden nach.
Offenbach. Die Ermittler in Offenbach setzen nach dem bewegenden Abschied von der Studentin Tugce A. auf das Obduktionsergebnis und hoffen auf weitere Zeugen der tödlichen Prügelattacke. Die Leiche der jungen Frau wurde in das Institut für Rechtsmedizin in Frankfurt am Main gebracht und soll dort vermutlich am Montag untersucht werden, wie ein Sprecher der Polizei am Sonntag sagte. Die Ermittler erhoffen sich von den Ergebnissen Aufschlüsse über die genaue Todesursache. Rund 1500 Menschen hatten sich am Freitag in einer bewegenden Feier vor der Klinik von der Studentin verabschiedet. Bundespräsident Joachim Gauck will prüfen lassen, ob Tugce einen Verdienstorden bekommen soll.
Bisher ist unklar, ob die Studentin durch den Schlag am frühen Morgen des 15. November tödlich verletzt wurde oder durch den Aufprall auf das Pflaster des Parkplatzes vor einem Schnellrestaurant. Tugce A. war ins Koma gefallen, aus dem sie nicht mehr erwachte. Am Freitagabend wurden in der Klinik die lebenserhaltenden Maßnahmen beendet, nachdem zwei Tage zuvor der Hirntod festgestellt worden war.
Tugce A. soll vor der Attacke in dem Lokal zwei jungen Mädchen zu Hilfe gekommen sein, die von Männern belästigt wurden. Einer von ihnen soll der spätere Angreifer (18) gewesen sein, der nun in Untersuchungshaft sitzt. Gegen ihn wird wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Die Polizei sucht weiter fieberhaft nach den beiden Zeuginnen.
Die junge Frau wäre am Freitag 23 Jahre alt geworden. „Tugce wird uns allen fehlen, wir werden ihr warmes Lächeln schmerzhaft vermissen“, sagte ihr Vater der „Bild am Sonntag“. „Der erste Tag ohne Tugce ist wie ein Tag, nach dem kein Morgen mehr kommt.“
Torjubel für Tugce
Am Sonntag gedachte auch der Fußballprofi Haris Seferovic der Verstorbenen während der Partie gegen Borussia Dortmund. Nachdem der Frankfurter in der 78. Minute das vorentscheidende 2:0 erzielt hatte, hob er sein Trikot und zeigte ein darunterliegendes selbstbemaltes T-Shirt. Schwarz auf weiß stand dort "Tugce = #Zivilcourage # Engel # Mut #Respekt" geschrieben - jene Internet-Schlagworte (Hashtags), die seit dem Tod der Studentin die sozialen Netwerke füllen.
Die Aktion von Seferovic wurde auch von Beteiligten von Borussia Dortmund nach der Partie ausdrücklich gelobt.
Familie spendet Organe
Die Studentin hilft auch nach ihrem Tod anderen Menschen: Drei Ärzteteams entnahmen ihr im Klinikum in Offenbach mehrere Organe, nachdem die lebenserhaltenden Geräte abgeschaltet worden waren.
Dass die Vergabe eines Verdienstordens gepfrüft wird teilte der Bundespräsident nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Samstag der Internetplattform „change.org“ mit. Diese Plattform hatte eine Online-Petition ins Leben gerufen und bis Sonntag 100 000 Unterschriften gesammelt. In einem Beileidsschreiben an die Familie betont Gauck nach Angaben des Präsidialamts, die junge Frau habe „unser aller Dankbarkeit und Respekt verdient“. Sie werde immer ein Vorbild bleiben. „Wo andere Menschen wegschauten, hat Tugce in beispielhafter Weise Mut und Zivilcourage bewiesen.“
Die Restaurantkette McDonald's Deutschland zeigte sich betroffen über die Nachricht vom Tod der jungen Frau. Der brutale Überfall „hat auch uns, insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Restaurants in Offenbach Kaiserlei, fassungslos gemacht“, schrieb das Unternehmen.
Gauck schreibt Brief an die Familie
Auch Bundespräsident Joachim Gauck sprach der Familie von Tugce E. am Wochenende sein Beileid aus. Die junge Frau habe „unser aller Dankbarkeit und Respekt verdient“, schrieb Gauck am Sonnabend.„Niemand kann den Schmerz ermessen, den Sie, Ihre Familie und Freundinnen und Freunde Ihrer Tochter jetzt erleiden.“ Tugce habe dort, wo andere Menschen wegschauten, in beispielhafter Weise Mut und Zivilcourage bewiesen und sei dabei selbst zum Opfer eines brutalen Verbrechens geworden.
„Ich bin wie ungezählte Bürgerinnen und Bürger entsetzt und erschüttert über diese schreckliche Tat“, schrieb der Bundespräsident. „Unser ganzes Land trauert mit Ihnen.“