Vor seinem Aufstieg versuchte sich Adolf Hitler als Künstler. Seine Bilder erzielen bei Auktionen stattliche Preise – sogar wenn es Fälschungen sind. Eine Auktion findet ausgerechnet in Nürnberg statt.
Nürnberg. Das Motiv ist harmlos. Das Aquarell zeigt das frühere Standesamt in München. Die Farben sind gedeckt, es überwiegen helle und dunkle Brauntöne. Wenn man auf die auf die Signatur in der linken unteren Ecke schaut, sieht man: A. Hitler. Ein angeblich „echter Hitler“ wird in Nürnberg versteigert – nicht zum ersten Mal. Sammler gibt es im In- und Ausland, die Werke erzielen regelmäßig hohe Preise. Forschern wäre es deutlich lieber, die Bilder würden gar nicht auf dem freien Markt gehandelt.
Der NS-Diktator wollte ursprünglich Künstler werden. Mit Kopien von Postkartenmotiven verdiente er sich in Wien und München eine Weile seinen Lebensunterhalt. „Hitler als mittelloser Möchtegern-Künstler hat das Motiv des Standesamtes als Souvenir an frisch Vermählte verkauft“, sagt Christian Fuhrmeister, Kunsthistoriker am Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte. Daher gibt es unzählige Versionen des Motivs – Originale ebenso wie Plagiate. „Diese Fälschungen gibt es nur, weil es einen Markt dafür gibt“, sagt Fuhrmeister. „Der Markt für Hitler-Arbeiten ist in Russland und den USA weiter verbreitet als in Deutschland.“
Das Nürnberger Auktionshaus Weidler hat in den vergangenen Jahren immer wieder Gemälde von Hitler versteigert. 2009 gingen zwei Bilder für insgesamt 42 000 Euro an einen Telefonbieter aus dem Ausland. Fast jedes Jahr kommt irgendwo ein Hitler-Aquarell unter den Hammer. „Der künstlerische Wert ist nicht als besonders hoch anzusehen – die Werke sind weder innovativ noch in irgendeiner Weise einzigartig“, sagt der Wissenschaftler. „Sie sind höchstens historische Dokumente, weil Hitler später eine besondere Bedeutung erlangte.“
Fuhrmeisters Kollege Stephan Klingen ergänzt: „Die Nähe zu diesem Kontext erzeugt eine bestimmte Käuferschicht. Und die ist bereit, auch hohe Preise zu zahlen. Diese Devotionalien-Jagd ist das Problem.“ Ein Münchner Auktionshaus hat sich gar auf Objekte wie Uniformen, Orden oder alte Waffen spezialisiert.
Müsste der Handel damit nicht verboten werden? „Moralisch kann man das so sehen. Aber das deutsche Rechtssystem lässt einen solchen hoheitlichen Eingriff in die Privatsphäre nicht zu“, sagt Klingen. Solange keine NS-Symbole wie etwa Hakenkreuze zu sehen sind, darf ein Bild verkauft werden. Viele Fachleute bedauern, dass die Bilder nicht unter das Verbot fallen.
Der Bund oder ein Museum dürfte so etwas nie auf den Markt geben, findet Klingen – doch schon in den 60er und 70er Jahren sei dies häufig geschehen. „Damals wurde selbst das Tafelsilber von Göring versteigert. Die guten Sitten sind schon sehr früh verdorben worden.“
Kathrin Weidler vom Nürnberger Auktionshaus sagte der „SZ“: „Wissen Sie, wir haben schon viele Nachlässe von Prominenten unter den Hammer gebracht, auch von solchen, die infrage gestellt werden.“ Sie habe den Eindruck, die Käufer wollten die Bilder als Dokument aufbewahren. Die Interessenten kämen vor allem aus dem Ausland.
Auch das Bayerische Hauptstaatsarchiv hat einige Werke des Diktators. „Hitler wusste irgendwann selbst nicht mehr, welche echt sind und welche nicht“, Sylvia Krauss, Leiterin der Abteilung für Nachlässe. Vorführen würde sie die Bilder nicht. Sie sind auch nicht in den offiziellen Bestandslisten. „Wir bemühen uns darum, solche Dinge aus dem Handel zu ziehen.“ Das Archiv bezahle für die Objekte nichts. Viele Leute wollten aber „davon entlastet werden“, sagt Krauss.
Das könnte auch ein Motiv für den Verkauf des Hitler-Aquarells an diesem Sonnabend sein. Die derzeitigen Besitzer, zwei etwa 70-jährige Schwestern, wollen einen Teil des Erlöses an behinderte Kinder spenden. Der Aufrufpreis liegt bei 4500 Euro. Das Bild könnte jedoch deutlich mehr erzielen, denn die Originalrechnung aus dem Jahr 1916 ist dabei sowie eine kurze Notiz von Albert Bormann, dem Leiter von Hitlers Privatkanzlei. Dieser vermutete anhand einer Kopie, dass das Bild – auch als „Das alte Rathaus“ bekannt – echt ist.
Ganz sicher sein könne man sich da allerdings fast nie, sagt die Wiener Kunsthistorikerin Birgit Schwarz. „Da Hitler als Maler keinen eigenen Stil hatte, sondern nur abgemalt hat, ist es sehr schwer festzustellen, was von Hitler ist.“ Künstlerischen Wert hätten die Bilder „natürlich nicht. Solche Sachen können sie hier in Wien in jedem Antiquitätengeschäft finden“, sagt Schwarz. „Es ist vollkommener Quatsch, wenn behauptet wird, da etwas Historisches bewahren zu wollen.“ Vor einiger Zeit wollte bei einer Versteigerung in England niemand das angebotene Hitler-Bild kaufen. Schwarz sagt: „So weit müssten wir kommen, dass es einfach keiner will.“